Das Atomkraftwerk Fessenheim soll 2016 vorzeitig abgeschaltet werden. Diese Festlegung ist in Frankreich nun aber ins Wanken geraten. Der baden-württembergische Umweltminister protestiert umgehend – und nennt wichtige Gründe für die Stilllegung.

Fessenheim - Die seit 2012 angekündigte Stilllegung des elsässischen Atomkraftwerks Fessenheim hat in Paris offenbar keine starke Lobby. Ein Bericht zweier Abgeordneter, der diese Woche im Finanzausschuss der Nationalversammlung vorgestellt wird, empfiehlt aus Kostengründen, die Anlage in Fessenheim vorerst weiterzubetreiben. Die Redaktion der Straßburger Zeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace“, die den Bericht vorab einsehen konnte, zitiert daraus als mögliche Kosten einer Abwicklung – noch ohne den eigentlichen Rückbau – fünf Milliarden Euro.

 

Die Abgeordneten Hervé Mariton von der konservativen UMP und Marc Goua von den Sozialisten legen ihrer Berechnung in erster Linie den zu erwartenden Gewinnverlust für den Betreiber des Atomkraftwerks, die Électricité de France (EdF), zugrunde. Für die Entschädigung, die der Staat dann zahlen müsste, kalkulieren sie allerdings eine Laufzeit der beiden Reaktoren bis 2040.

Ministerin irritiert

Mit ihrer Grundannahme widersprechen die beiden allerdings geltendem Recht. Die laufenden Betriebsgenehmigungen gelten bis 2019 für Block eins beziehungsweise 2021 für Block zwei. Wie es dann weitergeht, entscheidet die zuständige Kontrollbehörde, nicht der Betreiber, alle zehn Jahre neu.

Entsprechend rückte Umwelt- und Energieministerin Ségolène Royal die Angaben umgehend zurecht. Sie seien falsch, sagte sie in einem Rundfunkinterview. „Ich werde nicht dem Druck einer Lobby nachgeben“, betonte Royal am Dienstag auf „France Inter“. Bedenklich stimmen dürften hingegen ihre weiteren Aussagen. In Fessenheim seien seit der Inbetriebnahme mehr als 500 Millionen Euro in zusätzliche Verbesserungen investiert worden. Deshalb werde Royal „die Vorschläge des Betreibers EdF sehr genau prüfen“.

Vertreter der elsässischen Anti-Atomkraft-Szene waren in Paris im Zusammenhang mit dem fraglichen Bericht angehört worden. „Nichts von dem, was wir gegen das AKW vorgebracht haben, hat Berücksichtigung gefunden“, kommentierte André Hatz von „Stop Fessenheim“ ernüchtert. Zu den Argumenten der Atomkritiker zählen seit Baubeginn das Erdbebenrisiko am Oberrheingraben sowie die Überschwemmungsgefahr. Das Kraftwerk wurde in den 1970er Jahren direkt am Grand Canal d’Alsace errichtet.

Untersteller ist verwundert

Auch die deutsche Seite ist irritiert angesichts der widersprüchlichen Signale aus Paris. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kommentierte die Berichte, dass 2016 als Abschaltjahr für 2016 in Frage gestellt sei, eindeutig: „Das würde Ankündigungen von Staatspräsident Hollande widersprechen, und es widerspräche auch den mir persönlich gemachten Zusagen von Royals Sonderbeauftragtem für internationale Beziehungen, Jean-Louis Bianco. Bianco hat erst vor drei Wochen bekräftigt, dass beide Reaktoren in Fessenheim bis Ende 2016 abgeschaltet werden. Darauf verlassen wir uns.“ Der Umweltminister wiederholte, dass Fessenheim nach Auffassung Baden-Württembergs ein enormes Sicherheitsrisiko darstelle und deshalb eher früher als später vom Netz gehen müsse: „Fessenheim entspricht meiner Überzeugung nach nicht den Sicherheitsanforderungen, die an ein modernes Kernkraftwerk zu stellen sind.“

Die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Bärbl Mielich und die Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae, beide Grüne aus Freiburg, forderten in einer gemeinsamen Erklärung „Klarheit und eine verlässliche Positionierung der französischen Regierung, wann das Atomkraftwerk Fessenheim stillgelegt werden soll“.

Nationalversammlung debattiert

Am Mittwoch beginnt in der französischen Nationalversammlung die Debatte über das französische Gesetz zur Energiewende. Eine der Kernpassagen sieht eine Höchstgrenze für die Energiemenge aus Atomstrom von 63,2 Gigawatt vor. 2016 soll im nordfranzösischen Flamanville der neu gebaute Reaktor EPR ans Netz gehen. Im Gegenzug müsste EdF dem Gesetz zufolge ein anderes Atomkraftwerk abschalten.

Fessenheim ist im Gesetzestext nicht namentlich genannt, wurde in der öffentlichen Debatte in dieser Sache aber stets als alternativlos dargestellt. Ségolène Royal hatte am Sonntag Verunsicherung ausgelöst, als sie im französischen Fernsehen auf die Frage, ob denn Fessenheim tatsächlich abgeschaltet werde, ausweichend reagiert und auf die Entscheidungsfreiheit des Betreibers verwiesen hatte.