Die Kommission zur Endlagersuche soll eine zentrale Rolle spielen. Ihrem Chef muss ein Meisterstück gelingen, analysiert die Berliner StZ-Korrespondentin Bärbel Krauß: Gesucht wird eine Persönlichkeit mit Integrität und gutem Namen, ausgleichender Natur und Erfahrung im Schmieden von Kompromissen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nachdem der Bundestag den Neustart der Suche nach einem Atomendlager beschlossen hat, rückt eine Personalfrage auf die Agenda, die selbst erfahrene Headhunter ins Schwitzen bringen könnte: Gesucht wird eine Persönlichkeit mit Integrität und gutem Namen, ausgleichender Natur und Erfahrung im Schmieden von Kompromissen. Angst vor Streit darf er nicht haben; stattdessen sind Kenntnisse über die Kernkraft, die Entsorgung nuklearer Abfälle sowie die Geschichte der Anti-Atom-Bewegung Voraussetzung für eine Bewerbung.

 

Natürlich wird niemand eine solche Stellenanzeige aufgeben. Aber die Besetzung der Bund-Länder-Kommission zum Endlager und die Suche nach einem Vorsitzenden wird mit der Verabschiedung des Gesetzes von der abstrakten zur konkreten Aufgabe. Der erste – und einzige Name – der bisher für den Job genannt wurde, ist der von Klaus Töpfer. Der 74-jährige CDU-Mann – Ex-Umweltminister, früherer Chef des UN-Umweltprogramms, Ko-Vorsitzender der nach dem Reaktorunfall von Fukushima eingesetzten Ethikkommission – gilt wegen seiner auf Konsens bedachten Art gleich als vierfach qualifiziert für diese Herkules-Aufgabe.

33 Mitglieder sollen die große Streitfrage lösen

Doch noch ist das nicht mehr als eine Spekulation. Sie gründet in Töpfers lagerübergreifendem Renommee und in der Tatsache, dass es nicht viele versierte Politiker mit einschlägigen Fachkenntnissen gibt – zumal Töpfers Nachfolger im Umweltministerium von Angela Merkel (CDU) über Jürgen Trittin (Grüne) bis zu Sigmar Gabriel (SPD) anderweitig ausgelastet sind.

Das Gremium mit seinen 33 Mitgliedern aus Bund, Ländern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft übernimmt wichtige Aufgaben. Es soll laut Gesetz alle für die Standortwahl wichtigen Fragen erörtern und damit die Basis für die anschließenden politischen Beschlüsse legen. Dazu gehört ausdrücklich auch der Auftrag, noch einmal zu prüfen, ob es Alternativen zu der Lagerung des Atommülls in Gesteinsschichten tief unter der Erde gibt. Außerdem soll der Rat Suchkriterien erarbeiten, die Eignung der verschiedenen Wirtsgesteine – Salz, Ton und Kristallin – bedenken, Vorschläge zum Suchverfahren erarbeiten und Transparenz garantieren. Hinter all diesen Einzelfragen verbirgt sich politischer Sprengstoff, der eine Einigung in der Endlagerfrage jahrzehntelang blockiert hat.

Die Empfehlungen der Kommission sind nicht bindend

In der Kommission werden die unterschiedlichen Interessen aufeinanderprallen: die Erkenntnisse der Wissenschaften, die Standortängste der Regionen, die Argumente der Kernkraft- und Gorleben-Gegner, die Belange der Atomindustrie, die Vorstellungen von Bund und Ländern. Um die alten Gräben zu überwinden, wird es entscheidend auf das Verhandlungsgeschick des Chefs ankommen. Bis Ende 2015 soll die Kommission einen Bericht vorlegen, der die Grundlage für alle weiteren gesetzgeberischen Entscheidungen darstellt.

In dem Gremium gibt es zweierlei Mitglieder. Die sechzehn Vertreter von Bund und Ländern haben nur beratende Funktion. Stimmberechtigt sind lediglich die acht Wissenschaftler und die acht Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaft und Verbänden. Der Grund dafür liegt in juristischen Bedenken. Das Gesetz über die neue Endlagersuche weist der Bund-Länder-Kommission ein hohes politisches Gewicht zu. Bindend sind die Empfehlungen aber nicht. Entscheiden muss der Gesetzgeber – das sind Bundestag und Bundesrat. In Berlin gab es die Sorge, dass es zu einer Vorfestlegung der beiden Kammern kommen könnte, wenn deren Vertreter in der Kommission mitstimmen würden. Dies wurde vermieden. Einen Nachteil hat das aber auch: Nur elf von sechzehn Stimmen ergeben in der 33-köpfigen Kommission eine Zweidrittelmehrheit. Das kann das Gewicht des Rats schmälern.