Wolfram König, Chef des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit, rechtfertigt die Castor-Transporte auf dem Neckar. Er sagt, man müsse sich auf längere Laufzeiten für Zwischenlager einstellen.

Stuttgart - Der Präsident des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit, Wolfram König, wirbt um Verständnis dafür, dass sein Amt keine Details über das Sicherheitskonzept für den Castoren-Transport auf dem Neckar öffentlich machen kann – die jederzeit wieder aufgenommern werden können. Und er sagt, seine Genehmigungsbehörde müsse sich auf Anträge der Betreiber für eine Laufzeitverlängerung für die Zwischenlager in Deutschland einstellen – denn wohl frühestens 2050 wird ein atomares Endlager eröffnet werden können.

 
Herr König, das Verwaltungsgericht Berlin hat einen Eilantrag von Neckarwestheim gegen die Castoren-Transporte auf dem Neckar awbgelehnt, gleichwohl in der Sache selbst noch nicht über die Rechtmäßigkeit entschieden. Ist das nun ein Sieg oder nicht doch eine Niederlage für Ihr Amt?
Es geht mir nicht um Sieg oder Niederlage, sondern darum, dass für Mensch und Umwelt die Sicherheit gewährleistet ist. Die strengen Nachweise des Atomrechts muss der erbringen, der die Transporte durchführen will. Wenn die vorliegen, hat der Antragsteller ein Anrecht darauf, dass ich sie genehmige. Selbstverständlich habe ich ein großes Interesse daran, dass diese Genehmigung auch vor Gericht Bestand hat.
Es hat die Bevölkerung überrascht, dass Demonstranten sich von einer Brücke abseilten und ein Schiff mit Castoren stoppte. Spricht das gegen das Sicherheitskonzept?
Wolfram König Foto: dpa
Dass gewaltfreier und kreativer Widerstand immer zu einem zeitweisen Stopp solcher Transporte führen kann, das haben wir bei den Castor-Transporten nach Gorleben erlebt. Da ging es zum Teil nicht nur um kurze Verzögerungen. Dies gehört zu Szenarien, mit denen die Länderbehörden, die für die Überwachung des Transports zuständig sind, und die Polizei umgehen können und müssen, wie auch in Baden-Württemberg gezeigt wurde. Gefahren dürfen daraus nicht erwachsen.
Das Gericht sagt, ohne genaue Auskünfte über das Sicherheitskonzept könne es gar nicht entscheiden. Liefern Sie Details nach?
Ich weiß, dass wir in Fragen der Sicherheit eine besondere Glaubwürdigkeit erreichen, wenn wir vieles nachvollziehbar und transparent darlegen. Das findet seine Grenzen dort, wo es um Wissen geht, mit dem beispielsweise potenzielle Attentäter etwas ganz anderes verfolgen als Sicherheit – nämlich das Gegenteil. Staatliche Behörden müssen sensible Informationen geheim halten. Wichtig ist es, diesen Zusammenhang darzulegen. Es geht in diesen Fällen nicht um Geheimniskrämerei, sondern um den Kernbereich der Verantwortung des Staates: die Bevölkerung zu schützen. Da die Gemeinde Neckarwestheim ihre Beschwerde noch nicht begründet hat, kann ich zu den Konsequenzen nichts sagen.
Wenn Sie sich weigern, dem Gericht weitere Informationen zu nennen, laufen Sie dann Gefahr, dass Ihre Erlaubnis gekippt wird?
Ich gehe davon aus, dass die Genehmigung allen Überprüfungen standhält. Die Gemeinde Neckarwestheim macht von ihrem Recht Gebrauch, die Genehmigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist legitim und der Ausgang natürlich offen. Und in einem von sehr vielen Verfahren ist es uns leider nicht gelungen, das Gericht von den besagten Grenzen unserer Möglichkeiten, nämlich Prüfunterlagen offenzulegen, zu überzeugen. Damit wurde in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck erweckt, das Gericht habe unmittelbar über die Sicherheitsfrage entschieden. Was bleibt ist die Tatsache, dass es in diesem Feld Grenzen der Transparenz geben muss.
Welches Verfahren haben Sie verloren?
Da ging es um Brunsbüttel, ein Genehmigungsverfahren für ein Zwischenlager auf dem Gelände des Kraftwerkes. Das war eine ähnliche Auseinandersetzung. Auch da ging es um die Frage, wie viel die Behörde preisgeben kann. Ich glaube, wir müssen vor den veränderten Ansprüchen der Öffentlichkeit hinsichtlich von Transparenz und angesichts einer auch in Deutschland leider veränderten Sicherheitslage genau schauen, ob die Rechtsgrundlagen ausreichend sind für solche rechtlichen Überprüfungsverfahren. Gerichte haben heute auch die Möglichkeit, in einem so genannten In-Camera-Verfahren Unterlagen zu prüfen, die als sicherheitsrelevant eingestuft sind und damit der Geheimhaltung unterliegen. Dabei prüft das Gericht nicht inhaltlich, sondern ob die Einstufung als Verschlusssache korrekt ist. Das ist oft nicht ausreichend für das Bedürfnis der Kläger. Ich sehe da einen Bedarf, in der Rechtssetzung nachzujustieren.
Als die EnBW den Flusstransport ankündigte, hieß es, der sei genauso teuer und sicher wie der Straßentransport. Allerdings würden beim Straßentransport erhebliche Verkehrsbehinderungen entstehen. Hat man sicherheitstechnisches Neuland betreten, um eine Region vor Staus zu bewahren?
Die Motivlage der EnBW kann ich nicht beantworten. Unabhängig vom Transportmittel sind die Ansprüche an die Sicherheitsfragen gleich, die der Antragsteller beantworten muss. Da spielen Kosten oder gar Erwägungen zu Staus keine Rolle. Aber es ist richtig, dass der Transport auf dem Neckar Neuland war.
Im Jahr 2046 endet die Genehmigung für das Zwischenlager in Neckarwestheim, sind Sie sicher, dass man keine Verlängerung braucht? Die Bevölkerung ist nicht begeistert vom fremden Atommüll aus Obrigheim.
Laut Standortauswahlgesetz soll bis 2031 ein Standort für ein Endlager benannt sein. Danach beginnt die Genehmigungs- und Bauphase. Fachleute erwarten, dass 2050 ein Endlager zur Verfügung stehen wird. Das bedeutet, man wird sich die Zwischenlagerfrage nochmal anschauen müssen. Das war auch Gegenstand der vom Bundestag und Bundesrat eingesetzten Endlagerkommission. Was Neckarwestheim anbelangt bleibt festzuhalten, dass dem Zwischenlager die Genehmigung für 151 Behälterstellplätze erteilt worden ist und nach jetzigem Kenntnisstand am Ende des Betriebs wegen der Laufzeitbegrenzung der Atomkraftwerke nur 113 Plätze benötigt werden. Dass kein Standort in Deutschland glücklich ist über ein Zwischenlager, ist bekannt und nachvollziehbar. Aber wir müssen mit den Altlasten vernünftig umgehen, bis das Endlager da ist. Zwischenlager können kein Endlager ersetzen.
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) will im Herbst geologische Daten herausbringen. Beginnt dann die „heiße Phase“ in der Endlagersuche?
Ich kenne die genauen zeitlichen Planungen der BGE nicht. Es geht in einem ersten Schritt um die Identifizierung von Teilgebieten nach Ausschluss- und Mindestkriterien durch die BGE. Die werden dann in einer von mir durchzuführenden Teilgebietskonferenz öffentlich beraten. Mit ihr wird sichergestellt, dass die Diskussionen mit den Bürgern zu einem sehr frühen Zeitpunkt stattfinden und nicht erst, wenn Entscheidungen gefallen sind – da hat man aus den Fehlern um Gorleben gelernt. Wir werden hoffentlich zügig mit den Ergebnissen der Bundesgesellschaft erste Informationen darüber haben, welche Gebiete möglicherweise in Frage kommen. Es ist zu erwarten, dass mit jedem Konkretisierungsschritt hin zu einem Standort die öffentliche Auseinandersetzung zunehmen wird – unabhängig in welchem Bundesland er liegen wird. Wichtig ist, dass die Standortsuche auf fachlichen Kriterien aufbaut und in einem fairen, nachvollziehbaren Verfahren erfolgt und nicht – wie bei Gorleben – auf primär politischen Erwägungen.

Das Gespräch führte Christoph Link.