Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Nach drei Wochen kommt eine frohe Kunde aus Matthöfers Büro: Der Herr Minister rege einen "Bürgerdialog Kernenergie" an. Gründler beendet seinen Hungerstreik. Er glaubt, etwas erreicht zu haben - und muss bald erkennen, dass der "Bürgerdialog" nur der Beschwichtigung der Atomkraftkritiker dient, da alle Entscheidungen unabhängig davon bereits gefasst waren. Im Bundestag erklärt Matthöfer, dass die sozialliberale Koalition an den Plänen zum Ausbau der Atomkraft festhalte.

 

Am 2. Dezember 1976, anlässlich einer bevorstehenden Regierungserklärung von Helmut Schmidt, beginnt Gründler erneut in aller Öffentlichkeit damit, feste Kost zu verweigern. Bei seinem "unbefristeten Besinnungsfasten" in Kassel sitzt ihm der örtliche Philosophieprofessor Johannes "Joe" Seiffert mit Schnauzbart und Westerngitarre zur Seite - bis am zwölften Tag eine erfolgversprechende Nachricht aus dem Kanzleramt eintrifft: Die Regierung werde, so kündigt die Parlamentarische Staatssekretärin Marie Schlei an, neue AKWs nur dann genehmigen, wenn die Endlagerung des radioaktiven Abfalls geklärt sei. Gründler unterbricht daraufhin seine Nulldiät. Wenig später bereut er diesen Schritt; die Politik habe ihn wieder "getäuscht und enttäuscht".

Gründler ist bewusst, dass der emotionale Druck begrenzt ist, den er als alleinstehender Mann durch sein selbstzerstörerisches Tun erzeugen kann. Im August 1977 fordert er die Stuttgarter Gesinnungsgenossin Elisabeth Plattner dazu auf, "mit einigen anderen Frauen, Müttern, Großmüttern" direkt vor dem Bundeskanzleramt in den Hungerstreik zu treten: "Wie viele Publizisten in Bonn, in Brüssel und anderswo warten auf ein solches Bild!" Die Pädagogin Plattner gibt ihm einen Korb. "Da wir Leben schützen wollen, dürfen wir nicht das eigene Leben aufs Spiel setzen", meint sie.

Seine radikale Entschlossenheit treibt Gründler zunehmend in die Isolation, der Preis für seinen Idealismus ist die Einsamkeit. Niemand, auch nicht er selbst, ist seinen Ansprüchen gewachsen: "Ich bin überfordert, nachgerade chronisch, und meine Freunde überfordere ich fast noch mehr."