Viele befürchteten, die Tennisprofis würden den neu geschaffenen ATP-Cup in Brisbane nicht ernst nehmen. Einzig Roger Federer sah das im Vorfeld anders, sagte deshalb ab und darf sich nun bestätigt fühlen.

Brisbane - Der große Roger Federer hatte es wohl geahnt. Entgegen seiner ersten Zusage entschied sich der Meastro noch im November, nicht beim in dieser Woche erstmals ausgetragenen ATP-Cup in Brisbane an den Start zu gehen. Eine von vielen Begründungen des 38-jährigen Tennisprofis: Er wolle so früh in der Saison noch nicht an hart umkämpften Matches teilnehmen. Die Schweiz verlor daraufhin ihr Startrecht beim Saisonauftakt – Bulgarien rückte an Stelle der Eidgenossen in das Teilnehmerfeld.

 

Nur ein Vorbereitungs-Event zu den Australian Open?

Die Veranstalter in Down Under dürften sich trotz der Absage des Superstars darüber freuen, dass Federer mit seiner Einschätzung bezüglich der umkämpften Matches Recht behalten hat. Fragten sich viele Beobachter im Vorfeld, wie die Profis den neuen Länderwettkampf annehmen würden, steht bereits vor dem Finalwochenende fest: Kein Profi schenkt beim vermeintlichen Vorbereitungsturnier auf die Australian Open (20. Januar – 2. Februar) , dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, auch nur ein einziges Match ab. Im Gegenteil. Die Nerven scheinen teilweise bereits in der ersten Saisonwoche blank zu liegen.

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Den Anfang machte die deutsche Nummer eins Alexander Zverev. Der Hamburger, der seit Monaten mit seinem Aufschlag und seinen Emotionen auf und neben dem Platz zu kämpfen hat, platzte nach über 20 Doppelfehlern in den ersten beiden Matches der Kragen: „Halt die Klappe, was zum Teufel redest du da“, brüllte er den hinter ihm in der Box sitzenden Vater und Trainer Alexander Zverev senior an: „Ich habe keinen Aufschlag mehr, und du erzählst mir irgendeinen Scheiß.“ Dass er zudem einen Schläger zertrümmerte, versteht sich beinahe von selbst. Boris Becker, als Teamchef der in der Vorrunde gescheiterten deutschen Mannschaft nur mäßig erfolgreich, saß peinlich berührt neben ihm auf der Bank und blickte gen Boden.

Der Wutausbruch half dem 22-Jährigen indes nicht. Gegen den Griechen und amtierenden ATP-Weltmeister Stefanos Tsitsipas verlor er ebenso wie zwei Tage später gegen den Kanadier Denis Shapovalov und musste sich zwei Wochen vor den Australian Open eingestehen, sehr weit von seiner gewünschten Form weg zu sein.

Tsitsipas nimmt sich ein Beispiel

Tsitsipas indes schien sich zwei Tage später ein Beispiel an Zverev zu nehmen und setzte bei seinem Wutausbruch gleich noch einen drauf. Beim Seitenwechsel wütete der 21-Jährige derart unkontrolliert mit seinem Schläger, dass er Teamchef und Vater Apostolos Tsitsipas am Arm traf, der sich daraufhin erst in die Katakomben und anschließend auf die Zuschauerränge verzog. „Es war keine Absicht“, versuchte Tsitsipas hinterher die Szene herunterzuspielen: „Ich wollte das nicht und ich hab’s kurz darauf auch schon wieder abgehakt. Sowas passiert – ich hab nicht nach ihm gezielt und hatte es nicht unter Kontrolle.“

Auf dem Platz wurde es anschließend kurios, weil Julia Tsitsipas, die Mutter des Tennisprofis, ihm aus der Box lautstark ins Gewissen redete. Ob das Konsequenzen haben wird? „Vielleicht muss ich mit Hausarrest jetzt drei Tage in meinem Zimmer bleiben“, scherzte der Grieche, der weiterhin auf die Dienste seines Trainer-Vaters bauen wird. Griechenland schied wie Deutschland in der Vorrunde aus. Außer gegen Zverev gewann Tsitsipas kein Match in Brisbane und sucht vor den Australian Open jene Form, die in im November noch Weltmeister werden ließ. Ob er dem neuen Druck gewachsen ist, darf nach dem Ausraster zumindest bezweifelt werden.

Gegner verhindert größeren Eklat

Mit wesentlich geringeren Erwartungen ist Pablo Cuevas in die Saison gestartet. Der 34-jährige Uruguayer, bis dato auch nicht als Heißsporn in der Szene bekannt, verlor in der Nacht auf Donnerstag dennoch völlig die Contenance, nachdem ihm der Stuhlschiedsrichter eine Verwarnung wegen zu geringen Einsatzes ausgesprochen hatte. Cuevas ließ den Oberschiedsrichter auf den Platz kommen, packte nach einem Streitgespräch seine Sachen und wollte den Centre Court an der australischen Ostküste verlassen. Erst sein georgischer Gegner Nikoloz Basilashvili konnte den Routinier dazu bewegen, das Match zu Ende zu spielen.

Nachdem er Cuevas 6:4, 1:6, 6:4 bezwungen hatte, sprang er ihm auch verbal zur Seite: „Das war eine Überreaktion des Schiedsrichters. Für mich war das auf keinen Fall ein Verstoß gegen die Best-Effort-Regel. Ich habe ihm gesagt, dass es eine schlechte Entscheidung des Schiedsrichters war und dass wir weiterspielen sollten. Ich war froh, dass er auf den Platz zurückgekehrt ist.“

Roger Federer betrachtete das Geschehen indes aus der Ferne in Melbourne und erfreute sich der Gesellschaft seiner Familie. Das können Zverev und Tsitsipas derweil nicht von sich behaupten.