Die Mitarbeiter der Einrichtung für Behindertenhilfe Atrio Leonberg haben in den vergangenen Wochen ihre Klienten zum Thema Wahlen geschult. Denn auch die geistig Behinderten sollen sich gut informiert ins Wahllokal begeben können.

Gerlingen - Auch viele Menschen mit geistiger Behinderung gehen am Sonntag an die Wahlurnen. Jutta Baten erklärt, wie Atrio Leonberg, das in Gerlingen das Mehrgenerationenhaus Mikado und in Ditzingen den Kastanienhof betreut, seine geistig behinderten Klienten für die Wahlen fit macht.

 

Frau Baten, wieso bieten Sie Workshops zum Thema Wahlen an?

Selbstbestimmung und Teilhabe unserer Klienten sind uns wichtig. Wir betreuen verschiedene Wohnkonzepte in Leonberg und im Strohgäu und wollen die geistig behinderten Bewohner befähigen, ihr Leben möglichst selbst zu gestalten. Dazu gehört auch die Teilnahme an Wahlen.

Wie sehen diese Workshops aus?

In erster Linie wollen wir unsere Klienten darüber informieren, dass sie wählen dürfen. Im zweiten Schritt wollen wir ihnen den Wahlprozess erklären. Ohne Hilfe verstehen das viele nicht. In den Schulungen gehen wir darauf ein, wie etwa die Kommunalwahl abläuft, wie viele Personen gewählt und wie viele Stimmen abgegeben werden dürfen. Außerdem erklären wir, was ein Gemeinderat ist und welche Aufgaben das EU-Parlament übernimmt. Dafür gibt es von der Landeszentrale für politische Bildung hilfreiche Broschüren in leichter Sprache.

Gehen Sie dabei auch auf das Parteienprogramm ein?

Wir besprechen welche Parteien zur Wahl stehen, aber wir gehen nicht auf die einzelnen Wahlprogramme ein. Das wäre zu umfangreich. Aber wir haben uns die Stimmzettel zur Kommunalwahl angeschaut. Darauf haben unsere Klienten schon ein paar Personen wiedererkannt.

Wie kann man verhindern, dass Angehörige oder Ihre eigenen Mitarbeiter Einfluss nehmen auf das Abstimmungsverhalten?

Unsere Mitarbeiter halten sich mit ihrer Meinung natürlich zurück. Ihre Aufgabe ist es, den Klienten aufzuzeigen, wie sie sich eine eigene Meinung bilden können, zum Beispiel in dem sie mit ihnen Kriterien für die Wahlentscheidung erarbeiten. Und wie allgemein in der Gesellschaft wird auch in deren Familien und Freundeskreisen über Politik diskutiert. Aber es stimmt, dass es vielen Klienten schwerer fällt, sich eine Meinung zu bilden oder überhaupt Entscheidungen zu treffen. Sie müssen in allen Bereichen lernen, sich zu positionieren.

Wie bilden sich Ihre Klienten denn ihre Meinung?

Es gibt Wahlprogramme in leichter Sprache. Beim Lesen achten unsere Klienten auf Punkte, die ihnen wichtig sind, etwa was zum Thema Behinderung gesagt wird.

Wo wurden die Menschen denn geschult?

In unseren drei Werkstätten in Leonberg bieten wir immer wieder Qualifizierungsprogramme zu beruflichen Themen, zur Kommunikation, zu Computern oder kreativem Arbeiten an. Der Workshop zu den Wahlen war nur ein Teil davon und ist mit rund 50 Teilnehmern gut angekommen. Außerdem haben wir je zehn Personen im Mehrgenerationenhaus Mikado in Gerlingen und im Kastanienhof in Ditzingen über die Wahlen informiert. Natürlich haben unsere Klienten aber auch immer die Möglichkeit, sich im Einzelgespräch mit ihren Assistenten, also ihren Betreuern, über die Wahlen zu unterhalten.

Wer interessiert sich für die Workshops ?

Vorwiegend unsere jüngeren Klienten sind politisch interessiert. Ich glaube das liegt auch daran, weil sie selbstbewusster und selbstbestimmter erzogen wurden. Sie fordern es ein, mitzubestimmen, wer sie künftig in den Gremien vertritt.