Thomas Eberhardt-Köster vom Netzwerk Attac meint, Autoindustrie und Politik müssten zum Umdenken gezwungen werden.

Frankfurt/Main - Thomas Eberhardt-Köster (58) ist Mitglied im Koordinierungskreis von Attac Deutschland und arbeitet dort in der Kampagne „Einfach umsteigen“ zum Thema Verkehrswende.

 

Herr Eberhard-Köster, Attac und andere Umweltverbände wollen rund um die IAA demonstrieren. Worum geht es Ihnen dabei?

Vorab, Attac ist kein Umweltverband, sondern ein globalisierungskritisches Netzwerk. Uns geht es bei der Auseinandersetzung um eine radikale Verkehrswende und darum, dass die drohende Klimakatastrophe ein globales Problem ist, unter dem die Menschen in den Ländern des Südens am meisten leiden. Für uns ist es ein Akt der Klimagerechtigkeit, hier alles dafür zu tun, um schnelle eine grundlegende Wende in der Verkehrspolitik einzuleiten. Der Verkehrssektor ist Deutschlands größter Energieverbraucher und mit einem Anteil von über 18 Prozent eine der größten Quellen von CO2-Emissionen. Vor allem der motorisierte Individualverkehr treibt die Klimakrise voran. Von den Emissionen im Verkehr entfallen über 96 Prozent auf den Straßenverkehr. Wir wollen weg vom klimagefährdenden, umweltschädigenden und unsozialen Autoverkehr, hin zu einem gemeinwirtschaftlich organisierten und klimaschonenden Verkehr, der allen den Zugang zu Mobilität ermöglicht.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Demonstrationen nicht von gewaltbereiten Randalierern ausgenutzt werden?

Wir haben uns in der Vorbereitung auf einen klaren Aktionskonsens verständig und sehen unsere Aktion in der Tradition friedlichen zivilen Ungehorsams. Dazu haben wir eingeladen – und wir sind uns sicher, dass wir die Aktion wie geplant durchführen können. Dafür haben wir uns unter anderem in Aktionstrainings gut vorbereite, um auch kritische Situationen meistern zu können.

Hat die Autoindustrie die Wende nicht schon längst eingeleitet?

Die Automobilindustrie hat lediglich damit begonnen, ihre Fahrzeugflotte auf E-Mobile umzustellen, nachdem sie sich Jahrzehnte geweigert hatte, darüber auch nur intensiv nachzudenken, solange sie mit den Verbrennungsmotoren, und sei es durch Betrug wie beim Dieselskandal, Geld verdienen konnte. Jetzt hat sie gemerkt, dass sie damit auf Dauer nichts mehr verdienen kann und will auf E-Mobilität umsteigen und fordert auch noch von der Allgemeinheit, dass sie dabei durch Subvention der dafür nötigen Infrastruktur unterstützt wird. Eine Verkehrswende, wie wir sie angesichts der drohenden Klimakatastrophe brauchen, sieht anders aus.

Trauen Sie den Herstellern nicht? Halten Sie alles nur für leere Versprechen?

Zu einer radikalen Verkehrswende, die auch ein Schrumpfen der Autoproduktion bedeuteten würde, sind die Konzerne bisher nicht bereit und müssen letztlich dazu gezwungen werden. Und auch die Politik muss zu einer anderen Verkehrspolitik gezwungen werden, weil sie bisher in erster Linie als Interessensvertretung der Autoindustrie agiert. Die will lediglich ihr Geschäftsmodell modernisieren. Und auch ihrer vorgeschobenen Sorge um ihre Beschäftigten trauen wir nicht. Deshalb brauchen wir in deren Interesse eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir mit dem sowieso bevorstehenden Abbau von Arbeitsplätzen umgehen. Dafür brauchen wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung und ein Zukunft für die Beschäftigten in den Bereichen gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Von der gibt es nach wie vor genug.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Dieselskandal?

Der Dieselskandal hat gezeigt, dass die Autokonzerne nicht davor zurückschrecken zu lügen und zu betrügen, wenn es ihrem Geschäft dient. Er hat auch gezeigt, dass ihnen die Gesundheit von Menschen, denn die haben sie damit gefährdet, egal ist. Wer will dem dafür verantwortlichen Management noch trauen? Was sollte es bewogen haben, innerhalb kurzer Zeit vom Betrüger zum Menschenfreund geworden zu sein?

Ist das Elektroauto wirklich eine Alternative? Die Gesamtökobilanz sieht doch nicht so gut aus, Diesel sind da doch viel besser.

Mit E-Mobilen soll der Verkehr CO2-neutral werden. Aber deren Herstellung setzt doppelt so viele CO2-Emissionen frei wie konventionelle Vergleichsprodukte und benötigt zudem die seltenen Metalle Lithium und Kobalt. Und die Städte verstopfen sie im selben Maße wie ihre Vorgänger mit Verbrennungsmotor. Zumal mit jedem neuen Modell die Menge an Blech wächst, weil die Fahrzeuge größer und schwerer werden.

Welche Alternativen zum Auto schlagen Sie vor? Es gibt doch Unterschiede zwischen Stadt und Land. Wie soll zum Beispiel ein kranker Rentner auf dem Land zum nächsten Arzt kommen?

Wir brauchen ein in erster Linie auf öffentliche Verkehre sowie Fuß- und Radverkehr ausgerichtetes Verkehrssystem. In den städtischen Räumen wird das mit dem nötigen politischen Willen und einer öffentlichen Finanzierung gut möglich sein. Für den ländlichen Raum brauchen wir einen Ausbau der Regionalverkehre, die um Ruftaxis ergänzt werden. Und Menschen mit Handicaps sind heute im auf Autoverkehr ausgerichteten Verkehrssystem eindeutig benachteiligt. Ein öffentliches Verkehrssystem, dass sich auf Unterstützung für solche Personengruppen einstellt, und beispielsweise für sie auch einen Abholservice organisiert, würde ihre Situation im Vergleich zu heute deutlich verbessern.

Wer soll die Mobilitätswende finanzieren?

Attac fordert schon seit langem eine angemessen Besteuerung von Vermögenden. Da ließe sich viel Geld für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen organisieren und es würde gleichzeitig mehr soziale Gerechtigkeit schaffen und die außer Rand und Band geratenen Finanzmärkte würden sich beruhigen. Und öffentlicher Nahverkehr zum Nulltarif ist allein darüber finanzierbar, dass die Subventionen für Diesel, Kerosin und Dienstwagen abgeschafft werden.

Welches Auto fahren Sie persönlich?

Keins. Ich gehe zu Fuß, fahre mit dem Rad zur Arbeit und längere Strecken lege ich mit der Bahn zurück