Er zündete drei Sprengsätze, als der Mannschaftsbus Borussia Dortmunds vorbeifuhr. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, wird Sergej W. dafür eine lebenslange Haftstrafe erhalten.

Dortmund - Als der Richter die Verhandlung für eine Mittagspause unterbricht, liegt ein voll beschriebenes Blatt Papier vor Sergej W. Der Angeklagte hatte sich während des Plädoyers der Staatsanwaltschaft einen Kugelschreiber genommen und losgelegt. Demonstrativ hört W. weg, als Carsten Dombert fordert, ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe zu verurteilen. „Der Angeklagte hat sich des versuchten Mordes schuldig gemacht“, begründet der Oberstaatsanwalt seinen Antrag vor dem Landgericht in Dortmund.

 

Sergej W. habe aus Habgier und Heimtücke gehandelt, als er am 11. April 2017 drei Sprengsätze zündete. Allein die Tatsache, dass bei dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund keiner der 28 Insassen und auch ein vorneweg fahrender Motorradpolizist nicht sehr schwer verletzt oder gar getötet worden waren, bringe ihn davon ab, auch auf eine besondere Schwere der Schuld zu plädieren.

Bei dem Attentat erlitt Dortmunds ehemaliger Profispieler Marc Bartra eine Verletzung an der Hand, der Polizist ein Knalltrauma. Etliche Mannschaftskollegen von Bartra klagten als Zeugen über psychologische Folgen. Matthias Ginter, Nationalspieler und heute bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag, sagte unter Tränen aus. „Die Folgen für die Mannschaft waren gravierend“, sagte Anwalt Alfons Becker als Vertreter der Nebenklage.

Reue hat Sergej W. nie gezeigt

Mehr als eine Stunde dauert der Schlussvortrag von Dombert. „Der Angeklagte zockt hier um seine Strafe, wie er auch mit Optionsscheinen gezockt hat“, ist einer seiner Vorwürfe. Ernsthafte Reue habe Sergej W. nie gezeigt, obwohl er in dem seit elf Monaten dauernden Prozess häufig die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Lediglich wenn es um Finanzgeschäfte und technische Details des Bombenbaus gegangen sei, habe der „äußerlich unscheinbare, ruhige und verschlossene“ Mann Interesse an der Hauptverhandlung gezeigt. Dombert sieht die Diagnose von Gutachtern bestätigt, die zu dem Ergebnis gekommen waren, dass der Angeklagte tatsächlich ein Mann sei, der nach „Dominanz“ und „Macht“ strebe, an „Eigenüberschätzung“ leide: „Er sieht sich selbst als grandios an.“

Sergej W. hatte sich Geld geliehen, um auf einen Kurssturz der BVB-Aktie zu wetten. Die Verteidigung, die am Donnerstag plädieren wird, bevor dann am kommenden Dienstag das Urteil gesprochen werden soll, bestritt von Beginn an eine Tötungsabsicht ihres Mandanten. Sergej W., heute 29 Jahre alt, habe nur einen großen Schrecken auslösen wollen, um den Kurs kurzfristig abstürzen zu lassen. Das war von Beginn an die Strategie der Verteidiger.

Oberstaatsanwalt Dombert nannte sie „abstrus“, sie sei im Lauf der Verhandlung „ad absurdum“ geführt worden. Gutachter hätten belegt, dass die Sprengsätze „potenziell gefährlicher als Dynamit“ gewesen seien. Es sei Zufall gewesen, dass nur einer der 90 verbauten Metallstifte im Bus gelandet sei. Die Bomben, betonte der Oberstaatsanwalt, hätten die Sprengkraft gehabt, um zu töten: „Und das hat der Angeklagte auch gewusst.“