Seit dem Sturz von Mohammed Mursi eskaliert die Gewalt auf dem Sinai. Kein Tag vergeht ohne Attentate von radikalen Islamisten auf Polizisten und Soldaten.

Kairo - Die Attentäter kamen in der Dunkelheit per Motorrad. Ein Feuerstoß – der junge Rekrut vor der Polizeiwache in El-Arish sank in sich zusammen. Eine Kugel traf ihn ins Genick, er war sofort tot. Wenig später in derselben Nacht starben zwei weitere Beamte, der eine nach dem Dienst vor seiner Haustür, der andere in seinem Büro. Seit dem Sturz von Mohammed Mursi eskaliert die Gewalt auf dem Sinai. Kein Tag vergeht ohne Attentate von radikalen Islamisten auf Polizisten und Soldaten. Mindestens 15 von ihnen wurden in den letzten beiden Wochen getötet, mehrere Dutzend verletzt.

 

Ein Video im Internet zeigt Hunderte von Bewaffneten, die einen sogenannten Kriegsrat abhalten und anschließend mit drohenden Gesten „die Zeit des Friedens ist vorbei“ skandieren. Seitdem ist für Ägyptens Armeeführung das Maß voll. Sie will gegen das Treiben auf dem Sinai jetzt mit einer Großoffensive zu Felde ziehen. Zwei zusätzliche Bataillone hat Kairo diese Woche unter Zustimmung Israels „zur Terrorbekämpfung“ auf die karge und schwer zugängliche Halbinsel verlegt. Auf gut tausend Bewaffnete schätzt der Militärgeheimdienst die Streitmacht der Islamisten, die meisten sind Ägypter, aber auch Kämpfer aus dem Gazastreifen und Rückkehrer aus Syrien. „Ihre Anführer kennen wir alle mit Namen“, sagt ein Kommandeur.

Gläubige werden permanent bedroht

Nach der Entmachtung von Mursi fürchten die Generäle, die Terrorkampagne auf dem abgelegenen Wüstenareal zwischen Suezkanal und israelischer Grenze könnte bald auch überspringen auf das ägyptische Kernland entlang des Nils, wo es zuletzt regelmäßig zu gewalttätigen Krawallen kam. Gleichzeitig richtet sich der Zorn radikaler Islamisten auch gegen die Minderheit der Christen, die sie als willige Handlager des Umsturzes ansehen. Für die 5000 Kopten auf dem Sinai ist dies seit Anfang Juli zur Schicksalsfrage geworden. Nach der Revolution gegen Hosni Mubarak im Februar 2011 wurden ihre beiden Kirchen in Rafah in Brand gesteckt.

Seitdem werden die Gläubigen durch permanente Drohungen, Übergriffe und Entführungen zermürbt. Das Fass zum Überlaufen aber brachten jetzt die Morde an einem Priester und einem gekidnappten Geschäftsmann. Seitdem sind praktisch alle Familien geflohen – entweder nach Kairo oder nach Oberägypten, wo ihre christlichen Verwandten leben. Letzten Sonntag verkündete der Pfarrer den letzten noch Verbliebenen, alle Kirchen blieben künftig verriegelt, bis auf wenige Minuten am Morgen für ein kurzes Gebet.