Auch Eddy Merckx zollt Respekt Tadej Pogacar – ein einzigartiger Radprofi

Fünfter Sieg in Folge bei der Lombardei-Rundfahrt: Tadej Pogacar. Foto: Imago/Sirotti

Tadej Pogacar gewinnt erneut in der Lombardei, hat wieder eine unglaubliche Saison absolviert und durch seine Solo-Siege den Radsport verändert – doch die Ziele gehen ihm nicht aus.

Manchmal spielt selbst in einem Sport, in dem sich fast alles berechnen lässt, der Zufall eine Rolle. Nach der Lombardei-Rundfahrt befand sich Ernesto Colnago, der 93-jährige Gründer des nach ihm benannten Fahrradherstellers, im Zielbereich in Bergamo, als sein Handy klingelte. Es meldete sich Eddy Merckx (80), die belgische Radsport-Legende, um dem Italiener zum nächsten großen Sieg zu gratulieren, der auf einer von seiner Firma gebauten Rennmaschine herausgefahren worden war. Weil der Mann, der dies geschafft hatte, gerade in seiner Nähe stand, reichte Ernesto Colnago das Telefon flugs weiter.

 

Es ist nicht überliefert, was Eddy Merckx genau zu Tadej Pogacar gesagt hat, ganz sicher aber ging es um Respekt und Anerkennung. Schließlich ist längst kein Geheimnis mehr, was der Mann, der wegen seines nie zu stillenden Siegeshungers einst „Kannibale“ gerufen wurde, über seinen unersättlichen Nachfolger denkt. „Es ist offensichtlich“, sagt Eddy Merckx, „dass er über mir steht.“ Das Jahr 2025 nährt diese These.

Tadej Pogacar fährt bei allen fünf Monumenten aufs Podium

Insgesamt 20 (!) Siege hat Tadej Pogacar (27) eingefahren, fast so viele wie das gesamte Team Red Bull-Bora-hansgrohe zusammen. Er gewann nicht nur die Tour de France sowie WM- und EM-Gold, er stand auch bei allen fünf Monumenten des Radsports auf dem Podium – das ist noch nie jemandem in einer Saison gelungen. Bei der Flandern-Rundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich und der Lombardei-Rundfahrt triumphierte er, lediglich bei Mailand-Sanremo (3.) und Paris-Roubaix (2.) wurde er geschlagen. Was nichts daran ändert, dass der Konkurrenz nur Galgenhumor bleibt. „Ich bin sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie ich den zweiten Platz geschafft habe“, sagte Remco Evenepoel (25) nach der Lombardei-Rundfahrt mit einem gequälten Lächeln, „vielleicht sollte ich Pogacar bitten, bald aufzuhören.“

Gratulation: Remco Evenepoel (li.), Sieger Tadej Pogacar. Foto: Imago/Sirotti

Es würde dem Belgier, der zu Red Bull-Bora-hansgrohe wechselt, ganz neue Perspektiven eröffnen, schließlich landete er zuletzt nicht nur in Bergamo auf Rang zwei, sondern zudem bei der WM und der EM – jeweils mit großem Abstand zum Solo-Sieger aus Slowenien. Auch in diesen drei Rennen hatte Pogacar, wie schon so oft, seine Gegner weit vor dem Ziel stehen gelassen wie Hobbyradler. Bei WM (75 km) und EM (66 km) war die Distanz zum Ziel sogar noch größer als nun in der Lombardei (37 km). Die üblichen Argumente und Anschuldigungen wurden aber auch diesmal ausgetauscht.

Pogacar: „Jeder ist auf seine Weise einzigartig.“

Viele Radsport-Fans beklagten in den sozialen Medien die Langeweile, die durch die ständigen Alleinfahrten von Tadej Pogacar entstünde, fragten kritisch nach, wie es möglich sei, ein ganzes Radsport-Jahr derart zu dominieren, unterstellten ihm Doping. Und bekamen Gegenwind von jenen, die den Weltbesten für ein Naturphänomen halten, ein Jahrhunderttalent, einen harten Arbeiter und Superstar, der seine Sportart auf ein ganz neues Niveau gehoben hat. Pogacar? Beteiligte sich wie immer nicht an solchen Diskussionen. „Ich mag es nicht, mit anderen verglichen zu werden“, sagte er in Bergamo, „jeder ist auf seine Weise einzigartig.“ Für ihn selbst gilt dies ganz gewiss.

In der bis 1892 zurückreichenden Geschichte der fünf Radsport-Monumente gab es noch nie einen Fahrer, der eines dieser Rennen fünfmal in Folge gewonnen hat. Das gelang Tadej Pogacar nun bei der Lombardei-Rundfahrt, bei der er 2021 erstmals startete und seither immer triumphiert hat. Er liegt beim „Klassiker der fallenden Blätter“ jetzt gleichauf mit dem legendären Italiener Fausto Coppi, der für seine fünf Erfolge bei „Il Lombardia“ aber längere Zeit benötigte. „Dieses Rennen ist wie gemacht für mich“, sagte Tadej Pogacar, der bei der Zieldurchfahrt den Fotografen alle fünf Finger seiner rechten Hand präsentiert hatte. Woraufhin die La Gazzetta dello Sport titelte: „Pogacar ist legendär. Er schlägt Coppi, fliegt wie ein spitzer Pfeil ins Ziel.“ Und ist noch lange nicht am Ende.

Zwei Monumente fehlen Pgacar noch in seiner Sammlung

In der dritten Woche der Tour de France 2025, als er sich darauf beschränkte, das Gelbe Trikot zu verteidigen, es aber nicht schaffte, am Mont Ventoux oder in den Alpen noch mehr Etappensiege einzufahren, sah es kurz danach aus, als würde auch ein Tadej Pogacar irgendwann mal müde werden. Im Herbst hat er diesen Eindruck widerlegt. „Seit sieben Jahren sage ich jedes mal, dass es meine beste Saison war“, meinte er nach der Lombardei-Rundfahrt, „heute kann ich dies wieder sagen.“ Verbunden mit einer Drohung an die Konkurrenz.

Tadej Pogacar („Das sind meine nächsten großen Ziele“) kündigte schon mal an, 2026 unbedingt Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix gewinnen zu wollen, um wie die drei Belgier Eddy Merckx, Roger De Vlaeminck und Rik Van Looy Erfolge bei allen fünf Monumenten vorweisen zu können. Sollte ihm auch das gelingen, würde dies an der Einschätzung von Remco Evenepoel, dass Pogacar die Legende Merckx noch längst nicht übertrumpft hat, allerdings nichts ändern. „Tadej ist der Beste der letzten Jahrzehnte“, sagte der Mann, der 2025 Welt- und Europameister im Kampf gegen die Uhr wurde und zudem bei der Tour einen Etappensieg in dieser Disziplin holte, „aber Eddy hat auch seine Zeitfahren gewonnen.“ Auch wenn dies für alle, die es mit dem Phänomen Pogacar aufnehmen müssen, nur ein schwacher Trost ist.

Die größten Erfolge von Tadej Pogacar im Jahr 2025

Große Rundfahrten

Kleine Rundfahrten
Dauphiné: Gesamtsieg und 3 EtappenUAE-Tour: Gesamtsieg und 2 Etappen

Die fünf Monumente
Flandern-Rundfahrt: 1.Lüttich-Bastogne-Lüttich: 1.Lombardei-Rundfahrt: 1.Mailand-Sanremo: 3.Paris-Roubaix: 2.

Klassiker
Strade Bianchi: 1.La Fleche Wallone: 1.Tre Valli Varesine: 1.

Weltmeisterschaft
Straßenrennen: Gold

Europameisterschaft
Straßenrennen: Gold

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