Die Welle der Kirchenaustritte dauert an, die Evangelische Kirche reagiert darauf mit einer Streichliste für Pfarrstellen, dem Pfarrplan 2024. Die meisten Gemeinden im Kreis Ludwigsburg ziehen mit. Aber es gibt auch heftige Kritik.

Ludwgsburg - Mehr Seelsorge, weniger Verwaltung! Positiv gewendet wäre das die Kurzformel, auf die sich die evangelischen Kirchengemeinden im Kreis Ludwigsburg nach mehrjährigen Debatten über eine Neuausrichtung einigen könnten. Weniger positiv ausgedrückt aber geht es um Stellenstreichungen: Viele Gemeinden schrumpfen oder müssen fusionieren. Die größten Veränderungen gibt es im südlichen Kreisgebiet, wo die Kirchenbezirke Ditzingen und Vaihingen/Enz fusionieren werden. Doch das ist alles nur der Anfang.

 

Was fordert die Landeskirche?

Pfarrplan 2024, nennt die Landeskirche ihr Konzept, mit dem sie auf den Schwund von Kirchensteuerzahlern reagiert. Zum Kernstück gehören konkrete Ansagen zur Stellenstreichung. Um den Schock an der Basis abzumildern, hat die Evangelische Kirche den Pfarrgemeinden viel Zeit für Diskussionen eingeräumt. Jeder Bezirk soll selbst entscheiden, was und wo gestrichen wird. „Die größte Angst der Gläubigen war, dass auch Kirchen geschlossen werden“, sagt der Ludwigsburger Dekan Winfried Speck. Bisher ließ sich das im Verbund vermeiden.

Bei allen Stellenstreichungen und Verhandlungen über mögliche Kooperationen oder Fusionen sei es auch darum gegangen, handlungsfähige Einheiten zu erhalten, sagt der Besigheimer Dekan Eberhard Feucht. Wichtig sei es, dass jeder Bezirk ausreichend viele Stellen habe, damit sich die Pfarrer noch gegenseitig vertreten könnten: „Wir haben uns bei der Diskussion aber nicht nur von den Zielzahlen leiten lassen, sondern auch an biblischen Leitbildern orientiert.“

Gemeinden rücken zusammen

Ludwigsburg ist der mit 62 000 Gemeindegliedern größte Kirchenbezirk. Hier müssen 4,5 von 35,75 Pfarrstellen abgebaut werden. Wie das geschehen soll, ist zwar seit 2018 beschlossen, vollzogen aber wird es nach und nach. Um besondere Härten zu vermeiden, sollen nur Pfarrer gehen, die ohnehin demnächst aus Altersgründen ausscheiden. Große Veränderungen gibt es in Freiberg/Neckar, wo sich die Pfarrgemeinden Heutingsheim, Geisingen und Beihingen bereits zu einer Gemeinde zusammengeschlossen haben. Auch in Rems-eck wird es wohl auf eine Fusion hinauslaufen: Arbeiten Hochberg und Hochdorf schon bisher zusammen, so soll im Laufe dieses Jahres ein Beschluss gefasst werden, der auch Aldingen, Neckargröningen und Neckarrems einbindet.

Auch die Ludwigsburger werden enger zusammenrücken – und zwar in den Bereichen Nordwest (Eglosheim, Weststadt und Pflugfelden), Mitte (Stadt- und Friedenskirche), Ost (Kreuz- und Auferstehungskirche) sowie Neckar (Hoheneck, Poppenweiler und Neckarweihingen).

Kooperation in der Jugendarbeit

Der Kirchenbezirk Besigheim zählt 42 500 Gemeindeglieder und gilt damit als mittelgroß. Er deckt Besigheim, Bietigheim-Bissingen, Bönnigheim, Erligheim, Freudental, Gemmrigheim, Hessigheim, Ingersheim, Kirchheim/Neckar, Löchgau und Walheim sowie – jenseits der Kreisgrenze – auch Lauffen und Neckarwestheim ab. Von 25,5 Pfarrstellen müssen 3,75 gestrichen werden. „In dem ein Jahr dauernden Beratungsprozess mit regelmäßigen Runden Tischen ging es darum, wie wir trotz Kürzungen zukunftsfähige Synergien hinbekommen“, sagt Dekan Feucht.

Nicht jede Gemeinde müsse eine eigene Jugendarbeit oder Angebote in der Erwachsenenbildung anbieten. Die Gemeinden rückten enger zusammen. Dazu komme auch eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Verbund Ludwigsburg: Das Dekanat Besigheim biete zum Beispiel weiterhin eine Grundversorgung im Bereich Diakonie, vieles davon aber werde künftig verstärkt von der Kreisdiakonie übernommen.

Synergie oder nur Schönmalerei?

Der Kirchenbezirk Marbach zählt 37 690 Gemeindeglieder und verfügt noch über 22,75 Pfarrstellen. Die Landeskirche fordert, dass hier 3,25 Stellen gestrichen werden. Noch sei der Kirchenbezirk groß genug, um eingeständig bleiben zu können, sagt der Dekan-Stellvertreter Eberhard Weisser. Während sich etwa schon 2017 Großbottwar und Winzerhausen zu einer Kirchengemeinde zusammengeschlossen hätten, würden in anderen Gespräche über mögliche Zusammenlegungen geführt. Der Plan, die Gemeinden Oberstenfeld, Gronau und Prevorst zu fusionieren, ist dagegen wieder auf Eis gelegt worden.

„Es geht durchaus um schmerzhafte und gravierende Veränderungen“, sagt Weisser. Entsprechend fielen die Reaktionen an der Basis aus, sie reichten von Verständnis bis zu starkem Widerstand. Viele lehnten den Verweise auf zu erwartende Synergieeffekte im Fall von Fusionen als „Schönmalerei“ ab. Sie glaubten, die Grenze dessen, was mit Einsparungen erreicht werden könne, sei erreicht.

Aus zwei mach eins

Die Kirchenbezirke Ditzingen und Vaihingen/Enz sind übereingekommen, dass bloße Kooperationen in ihrem Fall nicht ausreichen. Sie sind zu klein, um auf längere Sicht alle Aufgaben abdecken zu können, darum wollen sie fusionieren. In beiden Dekanaten wurden in den letzten Wochen Sondersynoden veranstaltet, in denen der Fusionsvertrag diskutiert und in Details korrigiert wurde. Im März sollen die Gemeinden beschließen, ob sie vom 1. Januar 2020 an zusammengehen. Anfangs habe es viel Kritik an diesem Kurs gegeben, sagt Dekan Reiner Zeyher (Vahingen).

Im Großen und Ganzen aber habe man die meisten Gemeindeglieder von der Notwendigkeit dieses Schritts überzeugen können. „Wir mussten handeln, um weiterhin agieren und nicht nur reagieren zu können“, sagt Dekan Friedrich Zimmermann (Ditzingen). Bis 2024 gehen in Ditzingen 4 und in Vaihingen 3,5 Stellen verloren. Für sich betrachtet hätte Ditzingen dann nur noch 15 und Vaihingen 16 Pfarrstellen. Der Bezirk Vaihingen zählt zurzeit 28 000, Ditzingen 31 000 Gemeindeglieder. Auch auf Gemeindeebene sind Fusionen geplant: So werden etwa in Gerlingen die Lukas- und die Petrusgemeinde eine Einheit bilden.

Zielsetzung
Wie kann man unter sich rasch verändernden Rahmenbedingungen eine verlässliche und in den Kirchenbezirken möglichst ausgewogene kirchliche Nahversorgung gewährleisten? Diese Frage hat sich die Kirche gestellt und im Pfarrplan 2024 die Antwort gefunden. Zugrunde gelegt wurden Modellrechnungen, in denen nicht nur mit dem Schwund von Kirchensteuerzahlern, sondern auch dem sich abzeichnenden Rückgang beim Pfarrernachwuchs kalkuliert wurde. Das Ziel war es, das Verhältnis von Pfarrern zu Gemeindegliedern in etwa konstant zu halten


Perspektive 2030
Auch wenn viele Kirchengemeinden noch damit beschäftigt sind, die Anforderungen der ersten Sparwelle umzusetzen, dräut bereits eine nächste: Es ist bekannt, dass auf Konzept für 2024 eines für 2030 in der Mache ist. Auch wenn sich die Landeskirche in Bezug darauf noch nicht auf Zahlen festgelegt hat, ist klar, dass es weitere Abstriche geben wird. Die meisten Dekane gehen davon aus, dass sich diese in ähnlichem Umfang wie im Pfarrplan 2024 bewegen werden. Der Oberkirchenrat gewährte den Gemeinden Mitgestaltung, am Ende entscheiden die Bezirkssynoden.