Die Zahl der Patienten mit Rheuma steigt – auch in Baden-Württemberg. Das zeigt eine aktuelle Krankenkassen-Auswertung. Dabei wird deutlich: Auch junge Menschen sind häufiger betroffen. Woran liegt das – und was kann man tun?

Stuttgart - Die Zahl der Rheuma-Patienten im Land nimmt zu. Das zeigt eine Auswertung der Versichertendaten der Kaufmännischen Krankenkasse KKH. Demnach ist die Zahl der Menschen mit rheumatoider Arthritis in Baden-Württemberg von 2007 bis 2018 um 46 Prozent angestiegen. Bundesweit verzeichnet die Kasse bei den entzündlichen Gelenkerkrankungen einen Anstieg von 34 Prozent. Eine Zunahme der Diagnosen gab es nach Angaben der Kasse insbesondere bei Menschen ab 70 Jahren. Aber auch bei den 19- bis 29-Jährigen verzeichnete die KKH im Südwesten ein Plus von 14 Prozent zwischen 2007 und 2018.

 

Dass Arthritis – die häufigste rheumatische Erkrankung – in den vergangenen Jahren häufiger diagnostiziert wird, zeigen auch Zahlen der Krankenkasse Barmer. Bei rheumatischen Erkrankungen bei Kindern stieg die Diagnosehäufigkeit zwischen 2014 und 2017 sogar um 20 Prozent an. Insgesamt ist die Zahl der Betroffenen aber klein, mehr Diagnosen fallen deshalb mehr ins Gewicht.

Diese Entwicklung gibt es auch in Stuttgart: „Wir haben prozentual immer mehr Patienten mit rheumatischen Erkrankungen“, sagt Patrik Reize, Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum Stuttgart. Betroffen seien vor allem ältere Menschen, deren Erkrankungsfolge Arthrose in den Vordergrund rücke. Doch auch bei jungen Rheumapatienten steige die Neuerkrankungshäufigkeit tendenziell an.

Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung

Gründe können etwa eine erhöhte Alarmbereitschaft sein, bessere Behandlungsoptionen, aber auch veränderte Diagnosekriterien, sagt Patrik Reize vom Klinikum Stuttgart. Rheuma werde außerdem früher und vollständiger erkannt, die Lebenserwartung habe sich dank neuer Therapien gebessert – auch das könne zu einem Anstieg der Patientenzahlen führen, sagt Angela Zink vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum. Dazu komme die Alterung der Gesellschaft.

Hinter dem Begriff Rheuma verbergen sich allerdings viele verschiedene Erscheinungsformen: Rheuma beschreibt Erkrankungen des Bewegungsapparates, entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes und der Blutgefäße sowie andere – jedoch seltene – entzündliche Erkrankungen des Immunsystems. Arthrose zählt dazu, ebenso wie Gicht oder Osteoporose. Gemein ist all diesen Krankheitsbildern ein ziehender, reißender Schmerz.

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Die Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. Sie beginnt meist schleichend, etwa mit geschwollenen, schmerzenden und steifen Finger- oder Zehengelenken. Ursache für diese rheumatischen Erkrankungen ist, dass das Immunsystem irrtümlich den eigenen Körper angreift. Bei Arthrose treten Beschwerden durch Abnutzungserscheinungen an den Gelenken auf. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Osteoporose oder die Gicht können mit rheumatischen Beschwerden einhergehen.

Mit Arthritis leben hierzulande laut Deutscher Rheuma-Liga drei Mal so viele Frauen wie Männer. Insgesamt ist etwa eine von 100 Erwachsenen betroffen. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten, bei Frauen beginnt sie am häufigsten nach dem 50. Lebensjahr, bei Männern zehn Jahre später.

Rheuma ist keine Frage des Alters – auch junge Menschen betroffen

Aber: „Rheuma ist keine Frage des Alters“, sagt Rotraut Schmale-Grede, die Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga. Auch junge Menschen und sogar Kinder können von unterschiedlichen Formen der Erkrankung betroffen sein. So gab es in Baden-Württemberg laut Zahlen der KKH bei den 19- bis 29-Jährigen von 2007 auf 2018 einen Anstieg um 14 Prozent. In Einzelfällen kann die Erkrankung auch bei Kindern auftreten.

Rheuma ist bislang nicht heilbar, aber gut zu behandeln. Die Entzündungen können gebremst oder gestoppt werden, sofern die Erkrankung früh erkannt wird. Um bleibende Schäden an den Gelenken und Organen zu verhindern, ist es laut der Deutschen Rheuma-Liga wichtig, früh mit einer Therapie zu beginnen. Eine rheumatoide Arthritis schreitet meist über Jahre langsam voran. Nach und nach verformen sich die Gelenke und können versteifen. Auch die Muskelkraft nimmt mit der Zeit ab, so dass Patienten zum Beispiel Schwierigkeiten beim Anziehen oder beim Essen mit Messer und Gabel haben.

Rheuma kann sehr schmerzhaft sein. Hinzu können Müdigkeit, Schwäche und tiefe Erschöpfung kommen. „Unbehandelt zerstört die Krankheit in der Regel die Gelenke“, sagt Andreas Rüecker von der Kaufmännischen Krankenkasse KKH in Stuttgart. Da Anfangsbeschwerden wie Abgeschlagenheit oder leichtes Fieber oft unspezifisch sind, ist es aber nicht immer leicht, die Erkrankung früh zu erkennen. Ist dies der Fall, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Behandlung – etwa mit Medikamenten oder Physiotherapie. So können Ärzte in Deutschland seit etwa zwei Jahren zwei Mittel verordnen, die die Autoimmunreaktion bei der rheumatoiden Arthritis unterdrücken. Auch Bewegung wie Rad fahren oder Schwimmen helfen. „Dadurch können die Entzündung gehemmt, Schmerzen gelindert, das Fortschreiten der Erkrankung verzögert und so die Lebensqualität Betroffener erhöht werden“, sagt Rüecker.