Garantiezins könnte sinken Zinstalfahrt bei Lebensversicherungen

Die Zinsflaute setzt die Lebensversicherer unter Druck und nagt am Ersparten fürs Alter. Assekuranzen treten bei der Verzinsung auf die Bremse. Bei der Riester-Rente scheinen Reformen unvermeidbar.
Frankfurt/Main - Sinkende Zinsen und abschmelzende Garantien: Die Zinsflaute hält den Altersvorsorgeklassiker Lebensversicherung fest im Griff. Im kommenden Jahr dürfte die laufende Verzinsung Branchenexperten zufolge im Schnitt weiter sinken.
Verbraucher müssen sich darauf einstellen, am Ende weniger herauszubekommen, als sie zunächst erhofft hatten. Für Neuverträge empfehlen Versicherungsmathematiker ab Anfang 2022 zudem eine Senkung des Garantiezinses. Das hätte auch Folgen für künftige Riester-Verträge.
Branchenexperte Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata rechnet im kommenden Jahr mit einem Rückgang der laufenden Verzinsung bei Kapitalebenversicherungen und privaten Rentenversicherungen mit Garantiezins auf durchschnittlich 2,10 bis 2,15 Prozent nach im Schnitt noch 2,29 Prozent in diesem Jahr. Bei Altersvorsorgeprodukten mit abgespeckter Garantie könnten es im kommenden Jahr durchschnittlich 2,15 bis 2,20 Prozent sein. Das ist allerdings immer noch mehr als bei vielen anderen Sparprodukten. Zum Teil müssen Verbraucher bei größeren Summen auf dem Girokonto sogar Negativzinsen zahlen.
Die ersten der rund 80 Lebensversicherer haben ihre Erklärungen für 2021 veröffentlicht. So senken der deutsche Branchenprimus Allianz Leben und die Axa die laufende Verzinsung. Andere wie die Alte Leipziger und die Nürnberger Lebensversicherungs AG halten sie im kommenden Jahr stabil.
Kunden mit alten Verträgen profitieren vielfach noch von einem Garantiezins von bis zu 4 Prozent. Für die Branche ist das ein Problem, weil sie in der Zinsflaute die hohen Versprechen der Vergangenheit erfüllen muss. Staatsanleihen mit guter Bewertung, die als sicher gelten, werfen jedoch so gut wie nichts mehr ab. Teilweise zahlen Anleger sogar drauf. "Durch die Geldflut von Notenbanken und Regierungen in der Corona-Krise wird das Zinsniveau auf dem historischen Vorjahrestiefpunkt zementiert", sagte Heermann.
Legen Versicherer das Geld in riskanteren Papieren mit höheren Zinsen an, müssen sie mehr Eigenmittel vorhalten. "Dazu ist aber eine gewisse finanzielle Stärke erforderlich", sagte Heermann. "Wir müssen uns an die neuen Zinsrealitäten gewöhnen. Die Branche braucht Produkte, die dem Rechnung tragen."
Lediglich 24 der rund 80 Unternehmen bieten dem Experten zufolge in diesem Jahr noch klassische Produkte mit Höchstrechnungszins im Neugeschäft an. Viele Assekuranzen setzen inzwischen auf Verträge, die lediglich den Erhalt der eingezahlten Beiträge ganz oder teilweise zusagen. Dafür sollen sie eine etwas höhere Rendite abwerfen.
Die laufende Verzinsung setzt sich aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung zusammen. Über die Höhe der Überschussbeteiligung entscheiden die Versicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu. Die laufende Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil, den der Versicherer nach Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie dem Beitrag für einen Todesfallschutz anlegt.
Verbraucher, die in Zukunft eine Lebensversicherung abschließen wollen, müssen sich auf einen deutlich geringeren Garantiezins einstellen. "Wir schlagen dem Bundesfinanzministerium vor, den Höchstrechnungszins ab 1. Januar 2022 für Neuverträge auf 0,25 Prozent festzulegen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Guido Bader. Seit 2017 liegt der Garantiezins - auch Höchstrechnungszins genannt - bei 0,9 Prozent.
Der Höchstrechnungszins soll verhindern, dass sich Versicherer mit Garantieversprechen übernehmen. Sie dürfen Neukunden weniger aber nicht mehr bieten. Die Anpassungen gelten jeweils nur für Neuverträge, die nach der Änderung abgeschlossen werden.
Die endgültige Entscheidung über den Garantiezins trifft das Bundesfinanzministerium auf Grundlage der DAV-Berechnungen und Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin. Folgen hätte eine Senkung vor allem für neue Riesterverträge. Eingezahlte Eigenbeiträge und staatliche Zulagen müssen bei dem Zusatzplus fürs Alter zu 100 Prozent garantiert werden. Dies ist Branchenexperten zufolge angesichts der Kosten für die Riester-Rente schon mit einem Höchstrechnungszins von 0,5 Prozent nicht mehr darstellbar.
Die Versicherungsmathematiker schlagen vor, den vollständigen Beitragserhalt bei der Riester-Rente sowie der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersversorgung zu reformieren und die Garantien zu senken. "Wir appellieren eindringlich an das Bundesfinanzministerium, bis spätestens Ende März zu entscheiden", sagte Bader. "Je geringer die Garantien sind, desto stärker können Versicherer in etwas riskantere Kapitalanlagen investieren. Damit haben Versicherte Chancen auf eine höhere Verzinsung von Altersvorsorgeprodukten." Aus Sicht der Aktuare wäre eine Verringerung der Beitragsgarantie bei künftigen Riester-Verträgen auf 80 Prozent angemessen.
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV forderte: "Der Gesetzgeber sollte nun schnell eine Riester-Reform auf den Weg bringen." Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die private Altersvorsorge weiterzuentwickeln. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hatte jüngst bei einer "Handelsblatt"-Tagung den Angaben zufolge angekündigt mit einem Reformvorschlag zu Riester sei in Kürze zu rechnen.
© dpa-infocom, dpa:201202-99-539744/4
Unsere Empfehlung für Sie

Börse in Frankfurt Dax wieder deutlich tiefer
Die starken Kursschwankungen am deutschen Aktienmarkt haben sich fortgesetzt.

Lebensmittelhandel Umfrage: Fleisch darf mehr kosten
Immer wieder beklagen nicht zuletzt die Landwirte zu geringe Preise für ihre Waren. Die gute Nachricht: Verbraucher sind laut einer Umfrage durchaus bereit, mehr zu zahlen - wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

In der Liga von Amazon und Co. Hamburger Otto Group legt im Online-Handel deutlich zu
Plus 23 Prozent - von solchen Umsatzsteigerungen können die meisten Unternehmen nur träumen. Der Otto Group ist das im Online-Handel gelungen. Grund ist nicht nur Corona-Pandemie, sagt Otto.

Streit um Thermofenster BGH gibt Leitplanken für Diesel-Verfahren gegen Daimler vor
Bei der Dieselaffäre denken die meisten immer zuerst an VW. Doch auch gegen Daimler zogen Tausende vor Gericht. Der Bundesgerichtshof schätzt nun erstmals die Chancen der Kläger auf Schadenersatz ein.

Einkaufen im Internet Online-Handel will 2021 die 100-Milliarden-Grenze knacken
Die Corona-Krise hat den Online-Einkauf alltäglich gemacht. Auch Senioren kaufen jetzt ganz selbstverständlich im Internet ein. Und das immer öfter. Können davon auch stationäre Händler mit ihren Online-Shops profitieren?

Börse in Frankfurt Dax erholt sich von schwachem Wochenstart
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt haben die Pandemiesorgen am Dienstag beiseite gewischt und kräftig gekauft. Der Dax schloss mit einem Plus von 1,66 Prozent bei 13.870,99 Punkten und gewann damit prozentual so viel, wie er tags zuvor verloren hatte.