Es klingt wie eine Mammutaufgabe: Eine seit Jahrzehnten für den Klinikbetrieb genutzte Fläche soll schrittweise in einen vielfältig gestalteten Wohn-, Arbeits- und Freizeitstadtteil umgewandelt werden. Mit dem für Ende 2025, Anfang 2026 geplanten Umzug des Klinikums in das gerade entstehende Flugfeldklinikum steht Sindelfingen vor genau dieser großen Aufgabe.
Seit Mittwoch ist die Stadt bei der möglichen Gestaltung dieses Quartiers einen Schritt weiter. Das Preisgericht aus Vertretern der Stadtgesellschaft hat sich für den Entwurf zweier Berliner Architektenbüros entschieden. Die Stadtteilplaner haben die Vision eines Viertels entworfen, in dem 1500 Menschen wohnen und 700 Wohnungen entstehen sollen, außerdem Flächen für Gewerbetreibende, Freizeitangebote sowie zwei Kitas, eine Grundschule und Parkhäuser. Auch die Option für eine Hochschule, mit der Sindelfingen seit Jahren liebäugelt, sei mit diesem Konzept möglich.
Leben, Arbeiten, Lernen und Spielen – alles an einem Ort
„Wir wünschen uns einen lebendigen Stadtteil, in dem Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit auf innovative Weise miteinander verbunden werden“, erklärt Baubürgermeisterin Corinna Clemens. Auf der acht Hektar großen Fläche zwischen Sindelfinger Wald und Arthur-Gruber-Straße sollen dem Entwurf nach 70 Prozent auf Wohnen und 30 Prozent Fläche auf Dienstleistungs- und Bildungsangebote fallen.
Das Gesicht des neuen Viertels, werde gut zu Sindelfingen passen, ist Michael Paak, Leiter des Amts für Stadtentwicklung, überzeugt. „Das Modell zeigt, hier wurde Maß gehalten, aber auch neu gedacht. Wir sind nicht Shanghai oder Tokio, sondern Sindelfingen.“ Das Besondere, so die Bürgermeisterin, sei, dass die Architekten den Großteil des Bestandes beibehalten, diesen aber mit Neubauten erweitern möchten. „Eine Herausforderung ist, die graue Energie der Bauten in goldene umzuwandeln – in einen Ort, in dem Menschen unterschiedlicher sozialer Hintergründe leben“, sagt Jeanette Schuster, Projektleiterin bei der Internationalen Bauausstellung IBA, zu dem auch die Konversion des Areals zählt. Freizeitwert könnten der existierende Seilgarten, neue Trimm-dich-Pfade sowie Sport- und Spielplätze bringen.
Zweidrittel des Bestands wird bleiben
Auch Eckart Rosenberger, Mitglied des Preisgerichts, zeigt sich begeistert: „Angesichts der aktuellen Herausforderungen beim Bauen bietet dieser Entwurf ein schlüssiges Konzept, weil er eben nicht alles dem Abriss freigibt.“ Während der heutige OP-Trakt mit einem neuen Anbau zu einem von zwei Parkhäusern werden soll, könnten die markanten Bettenhäuser, das Schwesternwohnheim und der Heizturm erhalten bleiben. Wichtig sei auch, dass Parkmöglichkeiten in der Nähe des Wasserturms bleiben, zum Beispiel für Hundebesitzer, die mit ihren Vierbeinern in den Wald gehen.
Auch beim Verkehr möchte Sindelfingen im künftigen Quartier neue Wege gehen. Autos könnten von der Arthur-Gruber-Straße kommend direkt in einer der beiden sogenannten Mobility-Hubs fahren. Die zentrale Achse, die am Quartiersplatz vorbeilaufen soll, ist als autofreie Zone geplant. So seien auch die Aspekte Umwelt und Nachhaltigkeit bedacht. „Anlieferungen zu Geschäften oder an Häuser sollen natürlich weiterhin möglich sein“, ergänzt Corinna Clemens.
Wohnen spielt beim neuen Quartier eine Schlüsselrolle
Um beim Wohnen eine ausgeglichene Mischung aus Menschen mit wenig und solchen mit mehr finanziellen Möglichkeiten herstellen zu können, setzt die Stadtverwaltung auch auf Investoren wie die Wohnstätten. Diese könne sicherstellen, dass eine bestimmte Quote an gefördertem Wohnraum angeboten werde. „Die Wohnstätten haben bereits das Erbbaurecht für die Schwesternwohnheime.“ Auch im Hinblick auf andere Bauträger könne man als Stadt, die Eigentümerin dieser großen Fläche ist, Vorgaben setzen. „So wäre die richtige soziale Mischung gegeben“, sagt Clemens. Überhaupt ist die Baubürgermeisterin froh darüber, dass die Stadt die Entscheidungsgewalt über alles, was auf dem Areal entsteht, hat.
„Hier wird kein Wildwest herrschen. Das verschafft uns eine gute Ausgangslage, um mit Investoren zu sprechen.“ Da der Stadtteil nicht über Nacht hochgezogen werden könne, werde man schrittweise vorgehen. Das böte wiederum die Chance für Zwischennutzungen. „Klar ist, hier wird nicht gleich nach dem Auszug der letzten Klinikabteilung der Bagger anrücken.“ Eine Realisierung bis zur IBA-Ausstellung 2027 sei für das Projekt nicht vorstellbar.
Noch in diesem Jahr muss der Gemeinderat über den mit 39 000 Euro dotierten Siegerentwurf diskutieren und entscheiden. Sollte er auch mit ähnlich viel Begeisterung auf die Pläne schauen, könnte das Großprojekt, die Umgestaltung des Krankenhausareals, weiter Formen annehmen.