Beim 2:1 gegen Holland ist die deutsche Elf ihrer Favoritenrolle bei der EM gerecht geworden. Sie steigerte sich erheblich im Vergleich zum Auftaktspiel gegen Portugal.

Charkow - Die Frage ist sehr lang und vermutlich hochkomplex, und es macht die Sache nicht leichter, dass sie in der ukrainischen Landessprache gestellt wird. Der Dolmetscher im Presseraum des Stadions von Charkow gibt sich alle Mühe, doch Joachim Löw legt den Kopfhörer schnell beiseite. „Ich glaube, ich habe verstanden , was gemeint ist“, sagt der Bundestrainer und fährt mit einer Bestandsaufnahme fort: „Wir haben das Tor aufgestoßen. Wir haben es jetzt selbst in der Hand, gegen Dänemark alles klar zu machen.“

 

Wenn Joachim Löw nun sogar schon ukrainisch versteht, dann kann vermutlich nicht mehr viel schiefgehen. Denn auch fußballerisch ist sein Team nach zwei Spielen mehr als nur im Soll. Sechs Punkte hat die Elf aus den Partien gegen Portugal (1:0) und die Niederlande (2:1) geholt, was keine Selbstverständlichkeit ist „in dieser Todesgruppe, in dieser group of death“, wie Löw mit zusätzlichen Fremdsprachenkenntnissen rundum zufrieden bilanziert.

Kaum einer zweifelt ernsthaft daran, dass sein Team am Sonntag gegen Dänemark alles perfekt macht und ins Viertelfinale einzieht. „Es ist gut, ins Spiel zu gehen mit dem Wissen, dass ein Punkt reicht, um als Gruppenerster die Vorrunde zu beenden“, sagt der Verteidiger Mats Hummels. Das ist das erklärte Ziel, denn dann könnten die Deutschen in der ersten K.o.-Runde im Danziger Stadion spielen, nur elf Kilometer vom Teamquartier entfernt.

Auf dem Weg dorthin stimmt es sehr zuversichtlich, dass die Mannschaft nach dem mühevollen Auftaktsieg gegen Portugal einen großen Schritt nach vorne gemacht und gegen die Niederlande fast restlos überzeugt hat. Am Anfang hatte sie ein paar Probleme mit der holländischen Offensivkraft und auch am Schluss, als die Kräfte schwanden. Dazwischen aber präsentierte sich das Team so, wie es von ihm erwartet wird: als einer der großen Favoriten.

Es ist kein Hurrafußball wie in der Qualifikation mehr, den die Deutschen praktizieren, was in einem Turnier auf diesem Niveau wohl auch der falsche Ansatz wäre. Geprägt ist das Spiel stattdessen von Kompaktheit und kühler Effizienz. Es basiert auf einer stabilen Defensive um die beiden 23 Jahre alten Innenverteidiger Holger Badstuber und Mats Hummels, die wie schon gegen Portugal den Beweis antraten, dass sie ein Gespann bilden, an dem sich das Land womöglich noch viele Jahre lang erfreuen darf. „Bei einem Turnier kommt die Mannschaft weit, die defensiv sehr gut steht“, sagt Bastian Schweinsteiger: „Und wir stehen wie eine Wand.“

Anders als im ersten Spiel schaffte es die deutsche Elf gegen die anfälligen Holländer, neben aller defensiven Stabilität auch das Spiel nach vorne nicht zu vernachlässigen. Das lag nicht zuletzt daran, dass einerseits der zuletzt etwas schwächelnde Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld wieder als echter Anführer auftrat. Andererseits scheint Philipp Lahm nach seinem fahrigen Auftritt im ersten Spiel zu jener Form zurückgefunden zu haben, die ihn zu einem der besten und offensivstärksten Außenverteidiger der Welt gemacht hat. Und ganz vorne schließlich beendete Mario Gomez mit seinen beiden „Weltklassetoren“ (Philipp Lahm) eindrucksvoll die Diskussionen um seine Person.

Glaubhaft versicherte Miroslav Klose anschließend, sich für seinen Konkurrenten im Sturm zu freuen: „Das ist der Wahnsinn. Ich habe schon öfter betont, dass Mario ein Weltklassespieler ist“, sagte Klose und versprach, sich auch weiter brav hinten anzustellen: „So wie er mich bei den Turnieren 2008 und 2010 von der Bank aus unterstützt hat, so werde auch ich jetzt versuchen, ihm zu helfen.“ Der Mannschaftsgeist und das kollegiale Miteinander – auch das kann nicht schaden auf dem langen Weg durch eine Europameisterschaft.