Dass sich die Bahn bei ihren Kunden auf der Filstalstrecke mit Erlebnisgutscheinen entschuldigt, stößt eher auf Ablehnung als auf Zustimmung. Die Pendler fordern eine Lösung des Problems. Bis Dezember sind aber nur kleine Schritte zu erwarten.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Eine – zugegebenermaßen – nicht repräsentative Umfrage auf dem Göppinger Bahnhof ergibt ein deutliches Meinungsbild: Die Fahrgäste, die am Donnerstagmorgen in den Zügen auf der Filstalstrecke für das anhaltende Ausfall- und Verspätungschaos mit Erlebnisgutscheinen im Wert von 40 Euro für die Wilhelma, das Mercedes-Benz-Museum oder einige andere Freizeiteinrichtungen bedacht worden sind, empfinden die Aktion mehrheitlich als „unangemessen“.

 

Von den 30 Befragten können 23 der Geschichte nichts abgewinnen. Aussagen wie „abspeisen“, „freikaufen“ und „lächerlich“ sind noch mit die vornehmsten Bewertungen. Und selbst unter denen, die das außergewöhnliche Handeln der Bahn mit „in Ordnung“ bewerten, ist die Freude nicht wirklich überbordend. Der allgemeine Tenor lautet: „Besser als nix.“ Eine Berufspendlerin aus Süßen hat die Gutscheinpostkarte indes ganz bewusst abgelehnt: „Die sollen endlich dafür sorgen, dass sich die Situation verbessert, dann braucht es solche Almosen nicht“, schimpft sie.

Diesen Wunsch zu erfüllen, wird noch eine Weile dauern, wie sich just am Tag zuvor bei einer „rollenden Pressekonferenz“ im Zug zwischen Stuttgart und Geislingen gezeigt hat. Die CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Razavi hatte David Weltzien, den Regionalleiter der Bahntochter DB Regio BW, und Gerhard Schnaitmann, den Qualitätsbeauftragten für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) des Verkehrsministeriums, zu der Gesprächsrunde in den Interregio 4223 eingeladen. „Die Qualität des Angebots im Filstal stimmt nicht mehr. Deshalb müssen die Schwierigkeiten schnell gelöst werden“, forderte Razavi. Bahn und Land seien dabei gleichermaßen in den Verantwortung, fügte sie hinzu.

Schnaitmann: Verbesserungen machen das System anfälliger

Wirklich schnell, dies machten Weltzien und Schnaitmann deutlich, wird allerdings nichts gehen. „Wir nehmen im Mai zwar erste Anpassungen vor und lassen acht Frühzüge in Richtung Stuttgart etwas eher fahren, um die Situation zu entzerren. Ein großer Wurf ist jedoch erst mit dem Fahrplanwechsel im Dezember möglich“, sagte er. Schnaitmann erhofft sich eine zusätzliche Verbesserung „durch eine höhere Zahl an Zugbegleitern und den Einsatz von mobilen Technikteams“. Mit dem zusätzlichen Personal könnten einerseits die Ein- und Ausstiegszeiten beschleunigt sowie Störungen, etwa an den Türen der Waggons, schneller behoben werden, ergänzte er.

„Ich kann den Pendlern im Filstal aber nicht das Blaue vom Himmel versprechen“, schränkte der SPNV-Qualitätsbeauftragte sofort ein. Dazu handle es sich um ein zu komplexes System, weil die Trasse eine der anspruchsvollsten Mischbahnstrecken in Baden-Württemberg sei. „In diesem Geflecht aus Güter-, Fern- und Nahverkehr schlagen selbst kleinste Verspätungen sofort zu Buche“, erklärte Schnaitmann. Was den Bahnexperten besonders schmerzt: Gerade durch die Änderungen im Herbst 2017, wie etwa den IRE-Stundentakt fürs Filstal oder die zusätzlichen Halts zwischen Geislingen und Süßen, hat sich die Lage verschärft. „Das sind klare Verbesserungen, die auch zu einer Erhöhung der Fahrgastzahlen geführt haben, das System jedoch noch anfälliger machen“, sagte er.

Weltzien: Wir haben die veränderte Lage unterschätzt

David Weltzien sieht das genauso und warnte davor, die bahneigene Pünktlichkeitsmarke von 94 Prozent im Filstal kurzfristig als realistisches Ziel auszugeben. Zurzeit schwanken die Zahlen offensichtlich zwischen 76 und 80 Prozent. „Wir haben die veränderte Lage unterschätzt und können jetzt nur Schritt für Schritt gegensteuern, was wir auch tun werden “, versprach der DB-Regio-Chef kleinlaut. Helfen wird dabei, wie Nicole Razavi versicherte, auch die Politik. So würden die Strafzahlungen von vier Millionen Euro, die das Land von der Bahn wegen nichterbrachter Leistungen einfordert, komplett in den öffentlichen Nahverkehr gesteckt.

Rund 400 000 Euro, lässt sich die Bahn im übrigen die Gutscheinaktion im Filstal kosten. Während auf der Rems- und auf der Frankenbahn ausschließlich die Jahreskarteninhaber entschädigt worden seien, kämen hier alle Fahrgäste in den Genuss dieser Entschuldigung, betonte Weltzien, der ausdrücklich unterstrich, dass der reguläre, aber komplizierte Weg, an Erstattungen zu kommen, dennoch offenstehe. „Dass dieses andere Vorgehen nicht jeder toll findet, war uns klar. Doch wie man es auch angeht, es gibt immer Unzufriedenheit, die nur besser wird, wenn es mit der Pünktlichkeit und Verlässlichkeit wieder stimmt.“

Eine Baustelle sorgt für zusätzliche Schwierigkeiten

Zu den betriebsbedingten Problemen auf der Filstalstrecke kommen seit einigen Wochen weitere Einschränkungen hinzu. Zwischen Plochingen und Göppingen wird an den Schienen gearbeitet, so dass meist nur ein Gleis zur Verfügung steht. Von Montag, 27. März, bis ,Sonntag, 9. April, – außer am 8. April- fallen deshalb unter anderem die Regionalbahnen zwischen Göppingen und Plochingen aus. Sämtliche Fahrplanänderungen sind auf Aushängen an den Bahnhöfen oder im Internet unter www.deutschebahn.com/infos zu finden.

Am nächsten Montag können die Filstalbahn-Pendler, zu den nach wie vor anhaltenden Ausfällen und Verspätungen auf der Strecke, Informationen aus erster Hand erhalten und ihre eigenen Erfahrungen los werden. Die SPD-Landtagsabgeordneten Peter Hofelich und Sascha Binder haben Sven Hantel, den Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, zu einem öffentlichen Forum eingeladen. Dieses beginnt um 18.30 Uhr in der Süßener Zehntscheuer.