Der Künstler Tomas Kurth hat vor seiner Galerie im Westen eine riesige Skulptur auf den Gehweg gestellt. Entstanden ist das Werk im Lockdown. Es ist ein humorvolles Sinnbild für die Sehnsucht nach all den Freiheiten, die während der Pandemie verloren waren.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Die Freiheit hat sich mitten auf dem Gehweg postiert, 3,50 Meter ist sie hoch samt Sockel. Wer die Ecke Schwabstraße/Forststraße passiert, muss um sie herum gehen. Hingestellt hat sie dort der Künstler Tomas Kurth. Er darf das, versichert er immer wieder, weil die Leute ständig danach fragen. Das Ordnungsamt hat’s erlaubt. Augenfällig ist die Diskrepanz zwischen dem, was man sieht und dem, was drauf steht: „Statue of Liberty“. Frau Liberty hält weder Fackel noch Inschriftentafel in Händen, hat auch sonst wenig gemein mit dem neoklassizistischen Koloss von Frédéric-Auguste Bartholdi, der seit 1886 die Ankommenden zu Schiff am New Yorker Hafen empfängt. Mit Mühe lässt sich überhaupt eine Frau in Tomas Kurths Liberty-Skulptur erkennen. Sie zeigt nur einen Rumpf, der sich mit Kraft aus ihrem Sockel zu stemmen sucht – ein allegorischer Befreiungsakt gewissermaßen. Und so in etwa, sagt der studierte Maler und Bildhauer, sei die Arbeit auch gemeint.

 

Normalos auf Sockeln

Tomas Kurth hat die Skulptur während des Lockdowns geschaffen, und für ihn ist sie der Ausdruck des Ausbrechens aus beengter Lebenslage, Ausdruck des Verlangens nach den vertrauten Freiheiten, die coronabedingt über Monate hinweg massiv eingeschränkt wurden. Insofern kann der Titel „Statue of Liberty“ auch ganz wörtlich verstanden werden. Die Skulptur ist Teil einer Serie aus mittlerweile um die 40 Figuren, die unter dem Titel „Denkmäler“ firmiert. Die übrigen Stücke sind allerdings mit 30 bis 120 Zentimetern erheblich kleiner und ausgestellt in Kurths Produzentengalerie in der Schwabstraße 80. „Es handelt sich nicht um Denkmäler im üblichen Sinne. Denn auf den Sockeln stehen ganz normale Menschen und keine Herrscher, Dichter oder Kriegsfürsten“, erklärt Kurth. Dafür sind ein paar Spaßvögel darunter. „Humor ist ein wichtiges Element in meiner Arbeit. Ein Männle zum Beispiel trägt Fliegermütze und hat die Arme ausgebreitet, als ob er gleich losfliegen wollte.“ Eine Miniatur-Hommage an Stephan Balkenhols „Drei Männer auf Bank“ von 1997, die in der Staatsgalerie zu sehen ist, ist gleichsam Teil der „Denkmäler“-Serie.

Gewichtige Dame

Bei seiner „Statue of Liberty“ habe er auch an die Springteufel gedacht, die an einer Feder befestigt sind und aus der Schachtel springen, sobald man sie öffnet. Deshalb ist auf der Rückseite der Liberty-Skulptur ein aufgeklappter Deckel zu sehen, erklärt Kurth: „Die Figur bricht quasi aus dem Sockel hervor“. Springen wäre von Frau Liberty auch ein bisschen zu viel verlangt. Sie wiegt immerhin 400 Kilo. Wie alle Skulpturen der „Denkmal“-Serie ist sie aus Beton, und der Künstler hat sie in zwei Teilen gefertigt, weil sie sonst zu schwer und zu groß fürs Atelier geworden wäre. „Mit ein paar Freunden haben wir sie dann raus auf die Straße getragen.“ Dort darf sie in den kommenden Wochen gemäß Ordnungsamt auch stehen bleiben, vielleicht sogar den restlichen Sommer über, hofft der Künstler.

Derzeit in Arbeit ist eine Dokumentation des Filmemachers Alexander Tuschinski über den 1955 geborenen Künstler und seine Liberty. Der Film soll im Herbst fertig sein und öffentlich aufgeführt werden.