Facebook hat Ärger im Sudan. Noch immer werden in dem armen afrikanischen Land minderjährige Mädchen zwangsverheiratet. Neuerdings auch mit Hilfe Sozialer Medien.

Juba - Facebooks Skandalserie greift auch auf Afrika über. Mark Zuckerbergs Konzern ist jetzt im Südsudan, dem jüngsten Staat der Welt, in die Schusslinie der Kritik geraten, nachdem ein Mädchen auf einer Facebook-Seite als Ehefrau versteigert wurde. Dass ein minderjähriges Mädchen im größten Sozialen Netzwerkdienst der Welt in heutiger Zeit zur Hochzeit verkauft werden könne, sei „unvorstellbar“, wettert der südsudanesische Repräsentant des britischen Kinderhilfswerkes Plan International, George Otim: „Diese barbarische Anwendung moderner Technologie erinnert an einstige Sklavenmärkte.“

 

Die 16-jährige Nyalong war Anfang dieses Monats über eine Online-Versteigerung auf Facebook an einen fast dreimal älteren Südsudanesen verkauft worden, der für das Mädchen 500 Kühe, zwei Luxuslimousinen, zwei Motorräder, ein Boot sowie 10 000 US-Dollar geboten hatte. Der reiche Bewerber hatte sich gegen vier Konkurrenten, darunter auch den Vize-Gouverneur der Provinz Eastern Lakes (Östliche Seen), durchgesetzt: Nyalong wurde zur neunten Frau des Auktionsgewinners.

Eklatanter Fall von Kindesmisshandlung und Menschenhandel?

Facebook nahm zwar am 9. November die Seite vom Netz, allerdings erst 15 Tage, nachdem die Auktion begonnen hatte, und sechs Tage, nachdem das Mädchen verheiratet worden war. Es handele sich um einen eklatanten Fall von „Kindesmisshandlung und Menschenhandel“, meint der südsudanesische Menschenrechtsanwalt Philips Anyang Ngong.

In einer Stellungnahme teilte Facebook inzwischen mit, die Seite sei deaktiviert worden, sobald der Konzern von dem Vorfall erfahren habe. „Jede Form von Menschenhandel – ob in Mitteilungen, Seiten, Anzeigen oder Gruppen – ist auf Facebook verboten“, hieß es. Auf die Frage, warum die Betreiber des Netzwerkes den Missbrauch erst mit 15 Tagen Verspätung entdeckt hätten, antwortete der US-Konzern: „Wir verbessern ständig unsere Methoden zur Identifizierung von Verstößen, unter anderem haben wir unser Sicherheitsteam von 15 000 auf 30 000 Mitarbeiter verdoppelt.“

Frühe Ehen sollen Mädchen angeblich vor Vergewaltigung schützen

Genützt hat das in diesem Fall nichts. Südsudans neue Verfassung verbietet das Verkuppeln von unter 18-jährigen Mädchen. Trotzdem ist die Praxis in dem ehemaligen Bürgerkriegsstaat noch immer Gang und Gäbe. Mehr als 50 Prozent der Mädchen werden nach einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Unicef-Studie bereits vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet.

Verteidiger der arrangierten Kinderehen wenden ein, dass Mädchen dadurch vor Vergewaltigungen und Armut geschützt würden. Zumindest Letzteres ist allerdings nur höchst selten der Fall. Auch ein Regierungssprecher in der Hauptstadt Juba rechtfertigte Nyalongs Versteigerung: „Wenn man die Sache mit europäischen Augen sieht, ist das womöglich eine Auktion“, sagte Ateny Wek Ateny: „Aber wenn man es mit afrikanischen Augen sieht, ist es eine Tausende von Jahren alte Tradition, für die es kein englisches Wort gibt.“

Eltern erhoffen sich von Facebook-Auktionen höhere Erlöse

Früh verheiratete Mädchen müssten meist ihre Schulausbildung abbrechen und hätten keinen Einfluss auf die Auswahl ihres Partners, wenden Kritiker der Praxis wie Mary Otieno vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) ein. Dieser Brauch sei „grundsätzlich falsch“ und zerstöre die Zukunft der Mädchen. Die Regierung in Juba habe sich eigentlich dazu verpflichtet, die Zwangsverheiratung junger Mädchen bis zum Jahr 2030 aus der Welt zu schaffen. Doch nun erlebe sie eher eine Renaissance, weil sich die Eltern von Facebook-Versteigerungen sehr viel höhere Erlöse versprechen könnten, befürchten ihre Gegner. Der US-Konzern müsse dieses Problem dringend in den Griff bekommen, meint die Afrikadirektorin von „Equality Now“, Judy Gitau.

Auch gegen Fake News (Falsche Nachrichten) hat Facebook in Afrika zunehmend zu kämpfen. Im vergangenen Jahr seien Internet-Plattformen auf dem Kontinent von „Falschinformationen, zweifelhaften Behauptungen und politischer Manipulation“ überschwemmt worden, heißt es im Africa Cyber Security Report 2017. Der Netzwerk-Riese hat jetzt Hilfe bei der französischen Nachrichtenagentur AFP und dem afrikanischen Tatsachenprüfungsdienst „Afrika Check“ gesucht: Sie sollen Facebook bei der Identifizierung von Falschinformationen unterstützen.