Im Paulusgemeindehaus sollen 90 Frauen und Familien eine Übergangsheimat finden. Schon zum Beginn einer Info-Veranstaltung dazu wurde klar, dass die überwiegende Mehrheit gewillt ist, das Beste aus der Situation zu machen.

Fellbach - Pfarrer Eberhard Steinestel sieht die Kirche in der Pflicht. Frauen und Familien, „die Schwächsten der Schwachen, die besonderen Schutz bedürfen“, werden Anfang November für etwa ein halbes Jahr ins Paulusgemeindeheim einziehen, sagte er bei der Informationsveranstaltung von Landkreis, Stadt und evangelischer Kirchengemeinde am Mittwoch.

 

Beifall gibt es nur für besonnene Stimmen

Das Interesse der Bürger war groß, der Saal im Paulusheim brechend voll. Schon zu Beginn wurde klar, dass die überwiegende Mehrheit gewillt ist, das Beste aus der Situation zu machen. Vereinzelte Zwischenrufer – „Rechnen Sie mit Widerstand“, verkündete ein erregter Teilnehmer – versuchten vergeblich die Stimmung anzuheizen. Beifall gab es in Fellbach nur für besonnene Stimmen. Manchem Gegner, der gekommen waren, um lautstark seinem Unmut Luft zu machen, war wohl auch das Prozedere der Veranstaltung zu langwierig. Denn nach den kurz gehaltenen Einführungen durch die Gastgeber ging die Arbeit in fünf Kleingruppen weiter. Das ist eine Form der Bürgerbeteiligung, die von der Stadt schon bei vielerlei Informationsveranstaltungen praktiziert wurde.

Ansprechpartner auch für Nachbarn

Im Paulusgemeindehaus wurde über die Bereiche Haus, Technik, Politik, Sicherheit und Unterstützung diskutiert. Auf diese Weise konnten Bürger im kleinen Kreis ihre Fragen loswerden. Wie die Mutter, die sich darüber Gedanken machte, wie der Schulweg ihres Kindes künftig verläuft. „Denn die Flüchtlinge werden sich wohl häufig im Gebiet Lange Furche aufhalten.“ Die Polizei werde Präsenz zeigen, erklärten die Verantwortlichen. Für jedes Wohnheim soll es in den Reihen der Ordnungshüter einen Paten geben, der Ansprechpartner für die Bewohner, aber auch Nachbarn ist. In Schmiden werde zudem mit Sicherheitsleuten gearbeitet, sagte ein Vertreter der Polizei. Klar sei aber auch, dass hier nicht lauter Schwerverbrecher erwartet würden. Einig sei man sich dennoch, dass sich die Flüchtlinge nicht auf dem Schulgelände aufhalten dürften, sagte Oberbürgermeister Christoph Palm.

Dass das Paulusheim und die Festhalle, die mit 70 überwiegend jungen Männern belegt wird, nicht die richtigen Orte für die Unterbringung von Flüchtlingen seien, wie einige meinten, davon wollten weder der Schultes noch Bernd Friedrich, der erste Landesbeamte im Rems-Murr-Kreis, etwas wissen. Die Stadt halte an ihrem Konzept der dezentralen Unterbringung fest, sagte Palm. „Eine bestmögliche Integration und gleichzeitig möglichst weit weg von allen, diesen Platz gibt es nicht.“ Allein vom 1. bis zum 20. Oktober kamen 22 634 Flüchtlinge nach Baden-Württemberg. Etwa 1500 landen monatlich im Rems-Murr-Kreis. Bisher stelle Fellbach als zweitgrößte Stadt im Kreis 240 Plätze zur Verfügung. In Waiblingen seien es 505, in Schorndorf 400, in Backnang 320. Aufgabe der Stadt sei es, für Willkommensstrukturen zu sorgen. Wer komme, müsse sich aber an die geltenden Spielregeln halten. „Grundgesetz, Gleichstellung von Frau und Mann oder Religionsfreiheit sind nicht verhandel- und verwandelbar.“

Zwangsläufig zunehmende Spannungen zwischen Befürwortern und Gegnern, witterte ein Teilnehmer der Politik-Runde. „Es gibt einen Punkt, an dem die Sache explosiv zünden kann.“ Der Rems-Murr-Kreis sei nicht vergleichbar mit Landkreisen an der bayerisch-österreichischen Grenze, sagte Palm. „Ich will aber nicht gezwungen werden, die Grenzen auszutesten.“ Der OB ist überzeugt, dass die Botschaft in der Politik angekommen ist, dass es so nicht weitergehen kann. „Transitzonen sowie Sach- statt Geldleistungen werden Wirkung zeigen.“ Das System müsse schneller werden und die Verfahren beschleunigt, aber bis es soweit sei, brauche es noch ein bisschen Geduld, sagte Friedrich. Fellbach habe sein Personal im Ausländeramt mit zwei pensionierten Beamten als Mini-Jobber aufgestockt, sagte Palm. Auch der Zusammenhalt über die kommunalen Grenzen hinweg sei gut. „Wer etwas hat, stellt es den anderen zur Verfügung. Ich behaupte, so viel Austausch war im Rems-Murr-Kreis noch nie.“