Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Und Menschen auch. Wie den Erfinder des Jazz, Traugott Armbrüstle. Gleichwohl war er zu Gast beim 26. „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Zeppelinstüble – zusammen mit den wunder­baren Musikern von Jazz zu Viert.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - In der langen Reihe der prominenten Schwaben, die den 2013 gegründeten „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Zeppelinstüble des Hotels Steigenberger beehrt haben, fehlte er bisher: Traugott Armbrüstle, die von dem Autor Georg Bahmann ersonnene Kunst- und Kultfigur aus Stuttgart-Heslach. Dieses Versäumnis wurde jetzt nachgeholt. Am Donnerstagabend war er da: Traugott Armbrüstle, wie er nie leibte und lebte.

 

Dazu muss man Folgendes wissen: Armbrüstle ist das Kind eines Aprilscherzes aus dem Jahr 1976. Damals traf sich eine illustre Runde in der Weinstube Heeb, um nach dem von Georg Bahmann ausgegebenen Motto „Wer am Stammtisch nix Neues weiß, der soll besser dahoim sei Gartentörle streicha“ den 100. Todestag eines fiktiven Heslachers zu feiern.

Dessen Namen – Traugott Armbrüstle – klang jedoch so typisch schwäbisch, dass die Figur tatsächlich anfing zu leben. Jeder – bis hinauf zu leibhaftigen Staatssekretären – wusste plötzlich etwas von jenem legendären Traugott Armbrüstle zu berichten. „Den hemmr oifach nemme dod broacht“, schildert Georg Bahmann am Donnerstagabend im Zeppelinstüble die Anfänge der Traugott-Armbrüstle-Gesellschaft, die sich bis heute einmal jährlich trifft, um die neuesten Erkenntnisse über ihren Heslacher Helden auszutauschen.

Jazz bumm, Jazz bumm“

Am berühmtesten ist vermutlich die Geschichte, wie das Universalgenie Armbrüstle den Jazz erfand. Ausgangspunkt war dessen Wengert Afternhalde in Heslach, wo er versuchte, Degerlocher Spatzen mit Trompete und Trommel zu vertreiben. Das missfiel dem örtlichen Pfarrer, woraufhin Armbrüstle des Landes verwiesen wurde. Mit Trompete und Trommel im Gepäck reiste er nach New Orleans. Dort vertrieb er mit seiner unkonventionellen Spielweise („Jazz bumm, Jazz bumm“) keine Spatzen, sondern zog begeisterte Zuhörer an. Die neue Musikrichtung war geboren. Alte Schallplatten bezeugen Armbrüstles Urheberschaft: „Trad.“ steht demnach nicht etwa für „Traditional“, sondern für „Traugott Armbrüstle Deutschland“. Für diese und andere kuriose Erkenntnisse gibt’s beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch verdienten Applaus.

Am 27. Mai spielen Jazz zu Viert wieder in der „Hall“

So wunderbar gesponnen die Armbrüstle-Erzählungen sind, eine andere Geschichte, die im Zeppelinstüble ausgebreitet wurde, ist tatsächlich wahr: Georg Bahmann hat nicht nur Traugott Armbrüstle erfunden, sondern auch die berühmte Stuttgarter Dixieland Hall – zusammen mit dem Klarinettisten Peter Lamparter. Dieser hatte 1972 eine Art musikalischen Hilferuf verfasst: „Der Jazz ist tot, lang lebe der Jazz.“ Bahmann las das. Gemeinsam mit Lamparter gründete er anschließend die „Hall“ in der Marienstraße, die zur Heimat der Stuttgarter Dixieland Allstars wurde. In ihren goldenen Zeiten kamen 700 Besucher pro Auftritt.

Große Namen spielten dort, viele sind verblichen. Peter Lamparter ist geblieben. Am Sonntag, 27. Mai (18 Uhr), tritt er mit seinen Jazz-Kollegen das nächste Mal in der „Hall“ auf; zu hören gibt’s klassischen Jazz Marke New Orleans bis hin zu Dixieland und Swing, aber auch deutsche Gassenhauer.

Beim Stammtisch im Zeppelinstüble präsentieren Peter Lamparter und seine Musikerkollegen von Jazz zu Viert, Roland Müller (Zugposaune), Jochen Vester (Kontrabass) und Jochen Lamparter (Banjo), einen Ausschnitt aus ihrem Repertoire. Der Funke springt sofort über. Jazz und Dialekt verbinden – auch an diesem Abend. „Seit wir 17 sind spielen wir zusammen“, sagt der Klarinettist, der heute 77 ist. „Wir Musiker sind eine große Familie.“ Kein Zweifel. Und Traugott Armbrüstle gehört dazu.