Die Abrissarbeiten an dem evangelisch-methodistischen Gotteshaus im Stuttgarter Gerberviertel haben begonnen. Der Versuch, das stadtbildprägende Gebäude vor dem Untergang zu retten, war vergebens.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Das Dach ist seit einigen Tagen ganz abgedeckt, lange hat es in die Auferstehungskirche hineingeregnet. Handwerker tragen Heizkörper aus dem Gebäude an der Sophienstraße, die Türen sind herausgebrochen, und wo einst der Altar stand, liegen nur noch einige Trümmersteine herum. Die Abrissarbeiten sind in vollem Gange, in Kürze dürfte die evangelisch-methodistische Kirche ganz verschwunden sein. Dann wird die Kirchengemeinde das leere Grundstück an die Württembergische Lebensversicherung, die nebenan das Gerber-Einkaufszentrum baut, verkaufen. So ist es in einem Vorvertrag ausgehandelt worden.

 

Die Bemühungen des vermögenden Geschäftsmannes und privaten Denkmalschützers Peter Seydelmann, die Kirche zu retten, sind damit ins Leere gelaufen. Die Auferstehungskirche stand schon seit 1879 im Gerberviertel; allerdings war sie im Krieg so schwer beschädigt worden, dass sie weitgehend neu errichtet worden war. Aus diesem Grund war das neue Gebäude von den Denkmalbehörden nie als schutzwürdig eingestuft worden. Seydelmann ist anderer Ansicht: Die anmutige schlichte Form, der wertvolle rötliche Stein und die handwerklich hervorragende Qualität würden die Kirche zu einem wichtigen und stadtbildprägenden Schmuckstück im Gerberviertel machen.

Über den Abriss ist er bestürzt. „Es ist schlicht eine Katastrophe, wie in der Stadt ein Bauwerk nach dem anderen verloren geht“, sagt Seydelmann: „Stuttgart gleicht immer mehr einer amerikanischen Trabantenstadt.“

Viele sehen in der Kirche kein herausragendes Gebäude

Ein Versuch, den neuen OB Fritz Kuhn zu kontaktieren, schlug fehl; innerhalb von zehn Tagen habe ihn niemand aus dem Büro zurückgerufen. Zuletzt hatte Peter Seydelmann die Wüstenrot-Stiftung in Ludwigsburg angeschrieben, die zum einen Mehrheitsaktionärin des Bauherrn des Gerber-Einkaufszentrums ist und die sich zum anderen selbst sehr stark im Denkmalschutz engagiert. Von dort erhielt er eine freundliche, aber abschlägige Antwort. Als Nachkriegskirchenbau halte man die Kirche nicht für ein herausragendes historisches Dokument, schrieb Geschäftsführer Philip Kurz, obgleich er einräumte, dass der Bau, „wie übrigens fast jedes ältere Gebäude auch, einen gewissen Erinnerungswert hat“. Seydelmann sieht das grundsätzlich anders: In Stuttgart gebe es nur noch so wenige historische Gebäude, dass man um jedes kämpfen müsse.

Der Verkauf an die Württembergische war und ist kompliziert, und dieser Umstand erklärt ein Stück weit, weshalb das Kirchengebäude kaum Chancen hatte. Schon seit Jahren gab es nämlich eine Auseinandersetzung zwischen der Kirchengemeinde und der Versicherung: Es ging um Einwendungen der Nachbarin gegen das Gerber-Bauvorhaben. Mit dem Kauf hat die Versicherung deshalb vor allem auch Ansprüche der Kirchengemeinde abgelöst; der Kaufpreis ist deshalb sicherlich deutlich höher als der eigentliche Grundstückspreis, der in der Sophienstraße bei 2000 Euro pro Quadratmeter liegt.

Für das leere Grundstück gibt es noch keine Planungen

Für einen anderen potenziellen Käufer, der die Kirche hätte sanieren wollen, wäre das Areal also nur interessant gewesen, wenn die Versicherung ihren Anteil für die Abgeltung der Ansprüche weiter getragen hätte. Zumindest ein Interessent hatte sich gleichwohl bei der StZ erkundigt. Es habe bei ihm aber keine ernsthafte Anfrage gegeben, sagt Helmut Rothfuss, der Pastor der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde. Da die Zahl der Mitglieder ständig sinkt und derzeit bei etwa 400 liegt, hat man die Kirche und das Gemeindehaus in der Sophienstraße schon vor Jahren aufgegeben und sich mit der Gemeinde in der Silberburgstraße vereinigt.

Die Württembergische Lebensversicherung darf das neue Grundstück im Übrigen nicht in das Gerber-Einkaufszentrum einbeziehen. Aus diesem Grund war das Areal für die Versicherung lange Zeit wohl auch nur mäßig attraktiv gewesen. Was dort nun gebaut werden soll, konnte Sprecher Immo Dehnert gestern noch nicht sagen. Man steige erst in die Planungen ein, wenn sich das Grundstück im eigenen Besitz befinde. Laut Bebauungsplan sind ein Wohn- oder Geschäftshaus, Läden oder auch ein Gasthaus möglich.