Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Wer seinen Drahtesel nicht mehr liebt, nun, der lässt ihn offenbar einfach irgendwo stehen und gibt ihn dem Verfall preis. Um solche Schrotträder kümmern sich das Tiefbauamt und der AWS.

Vaihingen - Das traurige Etwas, das einmal ein Fahrrad war, ist von seinem Besitzer ganz eindeutig verlassen worden. Nurmehr der Rahmen und ein abmontiertes Vorderrad sind übrig; die zerfledderte Fahrradleiche lommelt an einem Geländer nahe des Vaihinger Bahnhofs. Santina Mangano macht ein Foto. Die 36-Jährige arbeitet für das Tiefbauamt der Stadt Stuttgart. Sie ist, wenn man das so sagen darf, die Herrin der Schrotträder in Stuttgart.

 

„In erster Linie bekommen wir über die gelben Karten Bescheid, mit denen man sich bei der Stadt beschweren kann“, erzählt Mangano. Darüber hinaus gibt es aber auch regelmäßige Rundgänge. Besonders im Fokus liegen der Stuttgarter Hauptbahnhof, der Vaihinger und der Cannstatter Bahnhof. „Bei Fahrrädern ist das Problem, dass sie kein Nummernschild haben und man sie nicht zuordnen kann“, sagt Mangano. Von einigen Schrotträdern, die Mangano begutachtet hat, ist am Ende nicht mehr viel übrig gewesen. „Wenn es offensichtlich verlassen ist, fangen die Leute irgendwann an, nützliche Ersatzteile abzubauen“, erzählt sie. Dann ist die Sache eindeutig, wie bei dem aktuellen Exemplar: Das Rad ist Schrott, es kann weg. „Ich mache ein Foto und beauftrage die AWS damit, es abzuholen und zu entsorgen“, erzählt sie. Die AWS ist der Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Stuttgart.

Mitunter braucht es schwereres Gerät

Markus Kaukars ist auf den Fildern für die Straßenreinigung und den Winterdienst zuständig. Sein Dienstsitz befindet sich an der Heßbrühlstraße. Bei ihm und seinen Mitarbeitern landen die Aufträge von Mangano. „Wir fahren hin und holen das Rad ab. Manchmal kriegen wir Schlösser mit dem Bolzenschneider allerdings nicht auf“, erzählt er. Einmal habe man beim Tiefbauamt um ein Notstromaggregat bitten müssen, um ein allzu hartnäckiges Schloss mit einem Winkelschleifer durchzuschneiden.

Eindeutig schrottreif. Foto: Rebecca Stahlberg

Anders sieht es aus, wenn das Fahrrad noch fahrtüchtig ist. Dann bewahrt das Tiefbauamt die von ihren Besitzern verlassenen Gefährte in einem Keller der Betriebsstelle der AWS an der Gingener Straße in Stuttgart-Wangen auf. Dies tut die Stadt aus Kulanz – es könnte ja sein, dass der Eigentümer sein Rad doch nicht wegschmeißen wollte und es wiederhaben möchte. Uwe Schüßling lagert die Fahrräder dort ein. „Es ist allerdings so, dass 99,9 Prozent der Räder nicht abgeholt werden“, sagt er. Derzeit befindet sich dort etwa ein Dutzend Räder – manch eines sieht sogar noch recht passabel aus. „Wenn Frühlings- oder Volksfest ist, haben wir noch mal deutlich mehr da“, erzählt er. Nachdem sie sechs Monate aufbewahrt wurden, kommen sie zum Schrotthändler. „Allzu viel gibt es dafür natürlich nicht“, sagt Schüßling. „Es ist definitiv ein Zusatzgeschäft für die AWS, sich darum zu kümmern.“

Auch die Polizei nimmt mal ein Rad mit

Auch die Polizei bekommt Anrufe von Bürgern, die sich von einem abgestellten Rad gestört fühlen. „Wenn das Fahrrad nicht mehr fahrbereit ist, geben wir dem Tiefbauamt Bescheid“, erklärt der Polizeisprecher Stephan Widmann. „Ist es noch fahrbereit, sind die Beamten angehalten, es erst einmal stehen zu lassen.“ Man kehre dann beim Streifefahren später noch mal zurück und schaue, ob es immer noch dastehe. „Ist es ein offensichtlich teures, aber nicht abgeschlossenes Rad, nehmen wir es zur Eigentumssicherung mit“, sagt Widmann.

Wer sein Fahrrad gar nicht loswerden wollte, sollte also nicht nur bei der Polizei, sondern auch beim Tiefbauamt anrufen. Seit Mangano sich um die Schrotträder kümmert, habe sie allerdings nur einmal eine Beschwerde von jemandem erhalten, dass sein Rad weg sei. „Und er hat es dann auch wieder bekommen. Es war in Wangen eingelagert“, erzählt sie. Um so etwas zu vermeiden, hat Mangano einen schlichten Rat: „Nutzen Sie Fahrradabstellanlagen.“

Wer sein Fahrrad allerdings tatsächlich loswerden möchte, kann es auch zum Schrotthändler bringen. Da gibt es mit Glück noch ein paar Euro, und der einst geliebte Drahtesel verendet nicht unwürdig irgendwo am Straßenrand.