Der Stauferkreis bietet unterschiedliche Schlafgelegenheiten und Unterkünfte – auch außergewöhnliche.

Bad Boll - Von den Gleisen ist fast nichts mehr zu sehen. Wilde Blumen wuchern da, wo früher das Bähnle durchgebummelt ist. Andrea Beucher genießt ihr Paradies direkt vor ihrem Garten. Vor 23 Jahren hat sie den Boller Bahnhof als Gästehaus wiedereröffnet. Seither lebt und arbeitet die frühere Redakteurin der Frauenzeitschriften Brigitte und Constanze an diesem lauschigen Ort unweit der Ortsmitte. Rosa Zeiten hat sie ihr Lebensprojekt getauft. „Damals warb die Deutsche Bahn mit dem Slogan rosarote Zeiten, deshalb habe ich mich für diesen Namen entschieden“, sagt sie.

 

Andrea Beucher wirkt sehr entspannt, sie lacht viel. Ganz offensichtlich hat sie ihre work-life-balance, wie sie es nennt, gefunden. In die Stadt zieht es sie nicht mehr zurück. 14 Jahre lang lebte sie in Hamburg. Doch dann kamen die Kinder. „Redakteurin zu sein und zwei kleine Kinder zu haben, das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt sie. Also suchte sie eine Alternative - und fand sie in ihrem Heimatort Bad Boll. Im Jahr 1989 war das letzte Bähnle von Göppingen nach Boll gefahren. Der Bahnhof stand seither leer und sollte verkauft werden. Eine einmalige Chance für Andrea Beucher, die schon immer von einem alten Haus geträumt hatte. „Am Bahnhof hatte in all den Jahren niemand rumgepfuscht, außerdem hatte er eine gewisse Größe, und die Lage ist gut.“

Alleine war der Umbau nicht zu schaffen

Doch so einfach war es nicht, an dieses Haus zu kommen. „Die Gemeinde, die den Bahnhof von der Bahn erworben hatte, musste das öffentlich ausschreiben, das war alles sehr kompliziert“, erinnert sich Andrea Beucher. Aber dann bekam sie den Zuschlag. Das war 1991, und eine Sisyphusarbeit begann. Schnell merkte sie, dass der Umbau nicht alleine zu schaffen war. Profis mussten her. Die Pläne für den Umbau entwarf Andrea Beucher alle selbst. Der Denkmalschutz war ihr nicht im Weg, wohl aber ihre eigenen Ansprüche. Sie wollte die Seele des Gebäudes erhalten, es aber gleichzeitig in ein komfortables und modernes Domizil für ihre Familie und die künftigen Gäste umwandeln.

Zuerst wurde ein Lagerraum aus Holz abgerissen und auf der frei werdenden Fläche ein Anbau errichtet, dann wurde das Erdgeschoss des bestehenden Gebäudes in Angriff genommen. Dort lebt jetzt Andrea Beucher mit ihrer Familie. Der ehemalige Schalterraum ist ihre Küche, und der Wartesaal dient als Wohnzimmer. Im ersten Stock entstanden sechs Gästezimmer, im zweiten Stock drei Gäste-Appartements.

Das Haus ist meistens ausgebucht

Da Andrea Beucher in ihrer Zeit als Redakteurin viel unterwegs war und häufig in Hotels logierte, wusste sie genau, welche Qualitäten ihr Gästehaus haben sollte. „Es sollte schön ruhig, die Betten super gut, das Licht im Bad sehr gut, und alles sehr sauber sein. Außerdem sollte es ein super Frühstück geben. Alles andere braucht man nicht“, sagt sie. Das Frühstück am Buffet bereitet sie stets selber zu. Wert legt sie auf regionale Produkte.

Das Konzept ging auf. Obwohl die Rosa Zeiten in keinem Buchungsportal aufgeführt sind, ist das Haus meistens ausgebucht. Andrea Beuchers Gäste sind in der Regel Geschäftsleute oder auch Teilnehmer an Tagungen und Seminaren, die es genießen, einen anstrengenden Tag ruhig ausklingen zu lassen. Und wer einmal da war, kommt in der Regel wieder. „Ich habe viele Stammgäste“, erzählt Andrea Beucher. „Für die Leute soll es hier so sein, als ob sie bei guten Freunden übernachten.“

Ihr Gästehaus schmeißt Andrea Beucher alleine. „Ich habe nur eine Frau beschäftigt, die mir mit den Zimmern hilft“, erzählt sie. So soll es auch bleiben. „Ich möchte niemanden einstellen“, sagt sie. Und: „Ich mache das noch immer total gerne, ich liebe das Landleben.“