Nach einer hitziger Debatte der EU-Regierungschefs steht fest: Eine europaweite Verteilung der Flüchtlinge wird es lediglich auf freiwilliger Basis geben.

Brüssel - Es hat gekracht wie schon lang nicht mehr im Europäischen Rat: Bis kurz vor drei Uhr am Freitagmorgen stritten die Staats- und Regierungschefs darüber, ob es künftig – wie von der EU-Kommission vorgeschlagen – eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen über die Gemeinschaft geben soll. Nach einem „unwürdigen Spektakel“, so Belgiens Premier Charles Michel, wurde die obligatorische Quote begraben. Laut Kanzlerin Angela Merkel soll dies „auf freiwilliger Basis“ geschehen.

 

Dabei geht es nicht um eine dauerhafte Festlegung, sondern nur für eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen für die Dauer von zwei Jahren. In dieser Zeit sollen 20 000 Schutzbedürftige direkt aus Krisengebieten nach Europa geholt werden. Dieses „Resettlement“ soll verhindern, dass sie die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten, um in die EU zu gelangen. Zudem sollen 40 000 Syrer und Eritreer aus dem überlasteten Italien (24 000) und Griechenland (16 000) in andere Länder umgesiedelt werden.

Debatte mit bösem Blut geführt

Das hat der EU-Gipfel nun auch allgemein beschlossen, nach heftigem Widerstand vieler osteuropäischer Staaten – jedoch ohne die Mitgliedsländer darauf zu verpflichten. Im Kreis der EU-Innenminister sollen bis Ende Juli freiwillige Aufnahmeangebote eingesammelt werden. Was passiert, wenn sie addiert nicht die beschlossene Zahl ergeben, ließen Merkel & Co. offen. „Ich sehe keinen Anlass, mich mit der Frage des Nicht-Einhaltens zu beschäftigen“, sagte die Kanzlerin, die im Vorfeld stets eine Pflichtquote gefordert hatte, da Deutschland zu den fünf Ländern gehört, die zusammen etwa drei Viertel aller Asylbewerber in der EU aufnehmen.

„Wir wollen selbst Solidarität zeigen“, sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, eine der Wortführerinnen der Quoten-Gegner, „und nicht, weil wir müssen.“ In der einem Diplomaten zufolge mit „bösem Blut“ geführten Debatte platzte Italiens Premier Matteo Renzi der Kragen. „Wenn Ihr mit der Zahl von 40 000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden“, wurde er übereinstimmend aus mehreren Quellen zitiert: „Wenn das Eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen.“

Den hehren Zielen nicht gerecht geworden

Am Ende blieb die Zahl, nicht aber die Pflicht. Großbritannien beharrte darauf, gar keine Flüchtlinge aufzunehmen, Dänemark und Irland halten sich das offen. Zudem schwächten die Quotengegner den ursprünglichen Entwurf des Gipfelkommuniqués deutlich ab: Nun wird ausdrücklich betont, dass selbst die freiwillige Aufnahme eine „Ausnahme“ sein soll und von den Innenministern „einstimmig“ beschlossen werden muss. Durch die Hintertür wird damit der EU-Vertrag ausgehebelt, der im Ministerrat bei diesem Thema Mehrheitsentscheidungen vorsieht – ein Punkt, der zum Streit zwischen EU-Ratschef Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker führte. Der sagte zwar, mit der Zahl 60 000 sei „das Herz des Kommissionsvorschlags“ gerettet worden, doch zeigte er sich auch enttäuscht: „Europa schafft es nicht immer, seinen hehren Ansprüchen, die es nach außen kommuniziert, gerecht zu werden.“