Der „Südkurier“ in Konstanz hat einen Lokalredakteur aus dem Verkehr gezogen. Was zunächst nach einer internen Angelegenheit klingt, hat längst öffentliche Debatten ausgelöst. Hatten höhere Mächte ihre Hände im Spiel?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Da hat der „Südkurier“ etwas zu feiern. Wieder einmal ist das Konstanzer Medienhaus mit dem Konrad-Adenauer-Preis ausgezeichnet worden. Eine Serie über Alltagshelden hat die Jury der CDU-nahen Stiftung überzeugt, in der übrigens auch der Vater von Chefredakteur Stefan Lutz sitzt. In der Konstanzer Öffentlichkeit aber wachsen derweil die Zweifel, ob das Blatt noch in der Lage ist, seine wichtigste Aufgabe als vierte Gewalt wahrzunehmen – Preis hin oder her.

 

So zumindest formuliert es der Intendant des Konstanzer Stadttheaters Christoph Nix. In einschlägigen Internetblogs äußern sich besorgte Leser, und ein Schreiben der Pressestellen von Universität und Hochschule an die Chefredaktion fasst dies zusammen: „Sollten wirtschaftliche Aspekte beziehungsweise Verlagsinteressen oder politischer Druck von außen tatsächlich redaktionelle Inhalte beeinflussen, erfüllt uns das mit großer Sorge.“

Plötzlich wechselt der Berichterstatter

Anlass ist der Fall des Lokalredakteurs Michael Lünstroth. Engagiert hatte er über den Kampf einer Bürgerinitiative für das Überleben des örtlichen Programmkinos berichtet. Am Jahresende muss es einem dm-Markt weichen, dem fünften in der von Schweizer Kundschaft überrannten Stadt. Doch plötzlich, Mitte April, kurz vor Ende der Debatte verstummte Lünstroths Stimme. Auf Weisung der Chefredaktion war er in den Innendienst versetzt worden. Obendrein erhielt er eine Abmahnung.

Offiziell möchten sich weder die Chefredaktion noch der Betriebsrat äußern. Auch der Betroffene schweigt. So viel ist jedoch unstrittig: Ein Kommentar zum Scala-Kino, in dem Lünstroth den Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) scharf kritisierte, gab den Ausschlag für die Schreibsperre. Zum wiederholten Male habe der Redakteur gegen das Vier-Augen-Prinzip verstoßen, erklärte Chefredakteur Lutz bei einer Betriebsversammlung. So berichten es Teilnehmer. Überzeugt hat er seine Mitarbeiter damit offenbar nicht. Schließlich gibt es auch beim „Südkurier“ eine Redigierzentrale. Unmöglich, dort einen Artikel vorbeizuschmuggeln. Auch der fragliche Kommentar sei vom zuständigen Deskmanager gelesen und für unproblematisch befunden worden, berichten Kollegen.

Der OB will nicht schuld sein

Die Frage, die viele in Konstanz vor allem bewegt: Hatte womöglich der Rathauschef die Finger im Spiel? Dass er sich über den Kommentar, der ihm unter anderem „Realitätsferne“ unterstellte, geärgert habe, wollte Burchardt gar nicht leugnen, als er in der jüngsten Gemeinderatssitzung vom Grünen-Fraktionschef auf den Fall angesprochen wurde. Auch entsprechende Kontakte zur Redaktion habe es gegeben. Falsche Behauptungen richtigzustellen, gehöre zum Tagesgeschäft seiner Presseabteilung. Dabei gehe es aber immer um die Sache, betonte der Konstanzer OB. Ein Schreibverbot und personelle Konsequenzen habe man nie gefordert, versichert der städtische Pressesprecher Walter Rügert. „Das wäre ja abstrus.“

Allerdings steht der „Südkurier“ durchaus unter wirtschaftlichem Druck vonseiten der Stadt. Wieder einmal erwägen OB und Gemeinderat, ein eigenes Amtsblatt aufzulegen. Bisher erfüllt die Lokalzeitung diese Funktion, doch deren Reichweite sei mittlerweile zu gering. Zudem komme die Stadtpolitik in dem Blatt oft zu kurz, heißt es aus dem Gemeinderat. Klar, dass sich der „Südkurier“ wenigstens Druck und Vertrieb des neuen Erzeugnisses sichern möchte, das vor allem Anzeigen kosten dürfte. Da will man sich die Sympathie des OB nicht verscherzen, mutmaßen manche.

Die Anfrage der Grünen zur Causa Lünstroth erwähnten übrigens weder der „Südkurier“, noch der Newsletter der Stadtverwaltung. Mehr Pressevielfalt dürfte das Amtsblatt der 80 000-Einwohner-Stadt am See also kaum bescheren.