Nach neun Jahren und mehreren Fehlversuchen hat der TSV Plattenhardt nun die ersehnte Landesliga-Rückkehr geschafft. Es ist ein Erfolg mit einigen Aber, nicht nur wegen Corona.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Plattenhardt - Es ist ein Dienstagabend, und die Stimmung ist schlecht. Dass es jetzt besser die Ohren anzulegen gilt, kann die Mannschaft bereits erahnen, als nicht wie sonst ihr Trainer zum Übungsprogramm auf den Rasen bittet, sondern die Abteilungsleitung hinter geschlossene Türen. Erst erhebt der Fußballchef Sascha Krammer die Stimme, dann der Coach Steffen Küttner. Wären die redensartlichen Rauchschwaden real, die Anwesenden hätten anschließend die eigene Hand nicht mehr vor dem Gesicht gesehen.

 

Am Wochenende zuvor ist der große Titelfavorit TSV Plattenhardt aus der Winterpause in die Bezirksliga-Punkterunde zurückgekehrt. Ergebnis und Leistung lassen im Weilerhau gleichermaßen die Alarmglocken läuten. Ein 3:6! Und das beim Abstiegskandidaten Zuffenhausen. Ein krachenderer Fehlstart war kaum möglich. Damit ist die Tabellenführung weg. Nicht nur das: die Angst geht um. Geht es auch diesmal wieder schief? Selbst in dieser Saison, für die der Filderclub „wirklich alles getan hat, dass es endlich funktioniert“, wie Krammer sagt?

Wer konnte zu diesem Zeitpunkt schon wissen, dass es das letzte Mannschaftstreffen im Spieljahr 2019/20 sein würde? Die überhaupt letzte Ansprache Küttners. Dass kein weiteres Spiel folgen würde? Ja, wer vor allem hätte dies geglaubt: dass den Plattenhardtern ohne jedes weitere Zutun ein paar Monate später quasi per Post der Meisterwimpel zugesendet wird?

Küttners „seltsames Gefühl“

Eben so ist es nun gekommen. Corona, Saisonabbruch, Wertung nach Quotientenregel. Letztere hievt Küttner und die Seinen bei einem weniger ausgetragenen Spiel zurück auf Platz eins, vorbei an ihrem Überraschungsrivalen SV Sillenbuch. Happyend auf Filderstadts Höhen. Nach neun langen Jahren mit fast ebenso vielen vergeblichen Comeback-Versuchen darf sich der TSV Plattenhardt fortan wieder Landesligist nennen, zum dritten Mal nach 1998 und 2007. „Das ist natürlich ein Erfolg“, sagt Küttner, spricht aber zugleich von einem „seltsamen Gefühl“. Irgendwie passend zu dieser komischen Saison, dass man den so sehr herbeigesehnten Aufstieg nun nicht einmal richtig feiern kann. La Ola mit den Fans, Bierduschen, große Party – all das musste ausfallen. Reichen muss fürs Erste ein improvisiertes Prosit über die teaminterne Whatsappgruppe.

Freilich: nicht nur die Fesseln des lästigen Virus, das die Welt in Atem hält, bedeuten ein Stück weit eine Euphoriebremse. Wahr ist auch, dass die Beteiligten letztlich halt „nur“ eine Pflichtaufgabe erfüllt haben. Das Motto hatte von vornherein gelautet: wenn heuer nicht, wann dann? Böse Zungen behaupten, ein erneutes Scheitern wäre so gewesen, als verstolperte der FC Bayern die Champions-League-Qualifikation. „Von den Einzelspielern und der Qualität im Kader her mussten wir vorne stehen“, sagt Krammer. Punkt. „Alles andere“, räumt er ein, „wäre eine große Enttäuschung gewesen.“

Erst Startrekord, dann der Knick

Das Problem: eben die besten Einzelspieler ergeben nicht zwangsläufig auch die beste Mannschaft. Davor hatte Küttner stets gemahnt. Die Bestätigung erhielt er nach anfänglichem Startrekord. Mit sieben Siegen in Serie legte der Favorit besser los als alle Plattenhardter Vorgängerteams. Die bis dahin chronische Auswärtsschwäche? Schlagartig weg. Die immer wieder vermisste Gewinnermentalität? Unter dem neuen Trainer offenbar kein Thema mehr.

Dann aber kam der Knick. Weil „irgendwie ein Schlendrian eingekehrt ist“, wie Krammer sagt. Weil manch einer wohl schon dachte, es läuft von allein. Und auch, weil selbst in einem für die Spielklasse vergleichsweisen Luxuskader dann nicht jeder Ausfall zu kompensieren ist. Weh taten die mehrwöchigen Verletzungspausen des Torjägers Kevin Siekerman und des Mittelfeldrackerers Simon Kirschner. Jener ist laut Küttner „das Mentalitätsmonster, der Abräumer – ein für die Balance ganz wichtiger Mann“.

Neun-Punkte-Vorsprung verspielt

Ohne die beiden schmolz der zwischenzeitliche Neun-Zähler-Vorsprung auf null. Die Tiefpunkte: ein 2:10-Pokaldesaster in Feuerbach, wenn auch dort nur mit B-Formation, sowie das erwähnte halbe Gegentordutzend aus Zuffenhausen. „Sehr schade“, sagt Küttner, „dass nun das als letzter Eindruck hängen bleibt.“

Hätten er und sein Aufgebot die Kurve wieder gekriegt? Hätte das besagte Donnerwetter Wirkung gezeigt? Es lässt sich nicht mehr beantworten. Eine Gelegenheit zur Korrektur auf dem Rasen wird es für Küttner persönlich nicht mehr geben, ebenso wenig wie für seinen Trainerpartner Paulo Bayrak. Das Duo hört wie berichtet aus zeitlichen Gründen auf – Küttner nach gerade einmal einem Dienstjahr, Bayrak als bisheriger Dauerbrenner, der jedoch in neuer Rolle als Teammanager erhalten bleibt. Zum Coach avanciert derweil der bisherige Kapitän Antonino Rizzo. Der 31-Jährige ist zwar Amtsnovize, aber Inhaber der A-Lizenz.

Umbrucharbeit für den neuen Coach

Arbeit wartet auf ihn einige. Zum einen gilt es, einen gewissen Umbruch zu bewerkstelligen. Unter der Devise „Qualitätssteigerung plus Verjüngung“ stehen bislang fünf externe Zugänge fest: Emre Göcer (VfL Sindelfingen), Vincenzo Giambrone (Croatia Reutlingen), Holly Bokilo (Croatia Stuttgart), Marko Drljo (TSG Balingen II) und Dorian Kapaun (TSV Waldenbuch). Im Gegenzug scheiden mehrere Gestandene aus (Albayrak, Parhizi, Doufas, Prvanov sowie Rizzo und Bayrak als Spieler).

Zum anderen dürfte die nächste Saison, wann auch immer sie beginnen können wird, allein schon aufgrund der besonderen Umstände zur Herkulesaufgabe werden. Die Staffel umfasst in Anbetracht des diesmal ausgesetzten Abstiegs nun 19 statt der vorgesehenen 16 Mannschaften. Heißt: im Sommer 2021 wird es einen umso schärferen Abstieg geben.

Das freilich ist noch Zukunftsmusik. Aktuell hoffen sie in Plattenhardt auf weitere Corona-Lockerungen und dass sich dann die Meisterfeier doch noch gebührend nachholen lässt. Dafür will auch der Aussteiger Küttner noch einmal kommen – in diesem Fall ohne Rauchschwaden.