Die Jüdischen Kulturwochen in Stuttgart stehen unter mehreren Sternen: „Neue Hoffnung schöpfen“ lautet das Motto. Zugleich geht es um eine Rückschau auf 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik sowie um die Neugründung der jüdischen Gemeinde in Stuttgart vor 70 Jahren.

Stuttgart - Die im Jahr 2003 begründeten Jüdischen Kulturwochen in Stuttgart stehen anno 2015 gleich unter mehreren Sternen: „Neue Hoffnung schöpfen“ lautet das Motto der 35 Veranstaltungen, die bis zum 15. November stattfinden. Zugleich geht es um eine Rückschau auf 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik sowie um die Neugründung der jüdischen Gemeinde in Stuttgart vor 70 Jahren, also im Sommer 1945. Das alles steht, wie könnte es anders sein, im Zeichen der aktuellen Flüchtlingsströme nach Deutschland – klar, dass die bestens besuchte Eröffnungsfeier der Kulturwochen am Dienstagabend im Rathaus geprägt war von diesen zum Teil dramatischen Ereignissen.

 

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, griff in seinem Grußwort die aktuelle Lage auf: „Wir im Zentralrat sehen den Zustrom der Flüchtlinge mit gemischten Gefühlen: Wir teilen die Sorge um das Wohl der Menschen, fragen uns aber auch immer wieder, wie sicher ist jüdisches Leben in Deutschland? Wir spüren, wie sehr der Rückhalt für Israel in Deutschland bröckelt, und wir fragen uns: Wo ist unser Platz in der Gesellschaft?“ Schuster betonte weiter: „ Wir wissen, dass die Mehrheit der Bürger hier in Deutschland den Antisemitismus ablehnt. Aber wir sehen in vielen Medien, dass Israel als Aggressor dargestellt wird, die Palästinenser hingegen als Opfer, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht.“ Schuster appellierte an die Bürger und die Politik, keine Toleranz denjenigen Flüchtlingen gegenüber zu zeigen, die aus Ländern hierher kämen, wo man tief geprägt sei vom Hass und der Ablehnung gegenüber Israel und den Juden.

Gedenken an Meinhard Tenné

Zu Beginn seiner Ansprache hatte der Präsident des Zentralrates der Juden des kürzlich verstorbenen Meinhard Tenné gedacht, Ehrenpräsident der jüdischen Gemeinde in Stuttgart: „Meinhard Tenné hat das jüdische Leben hier im Südwesten auf besondere Weise geprägt“, sagte Schuster. Ohne ihn sei der erfolgreiche Wiederaufbau der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW) nicht denkbar. Auch Barbara Traub, die soeben wiedergewählte Sprecherin der IRGW, erinnerte in ihrer Begrüßung daran, dass es Männern wie Meinhard Tenné sowie dem ebenfalls in diesem Jahr verstorbenen Arno Fern, lange Jahre Geschäftsführer der Gemeinde, zu verdanken sei, „dass die jüdische Gemeinde hier in Stuttgart wieder ihren Platz hat mitten in der Gesellschaft“. Dazu, so betonte Barbara Traub, hätten die 2003 begonnenen jüdischen Kulturwochen einen wichtigen Teil beigetragen.

Isabel Fezer, die Sozialbürgermeisterin der Stadt, erinnerte an die Neugründung der jüdischen Gemeinde und den Wiederaufbau der Synagoge im Jahr 1952. Was die Gemeinde in den vergangenen 70 Jahren geleistet habe, sei bewundernswert. Zugleich würdigte Fezer die aktuellen Hilfen der Bürger für die Flüchtlinge, appellierte aber auch an die Bürgerschaft, jeglichem Rassismus, Antisemitismus und dem Schüren von Hass gegen Fremde zu widerstehen.

Die Staatssekretärin Marion von Wartenberg forderte namens der Landesregierung „den Schulterschluss zwischen dem jüdischen und dem nichtjüdischen Teil der Bevölkerung – nur so entsteht ein gutes Miteinander.“ Der jüdische Publizist Micha Brumlik beleuchtete die vor 50 Jahren von Ben Gurion und Konrad Adenauer begründeten diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik: „Freundschaft gibt es nur zwischen einzelnen Personen, sie ist eine Angelegenheit der Zivilgesellschaft. Staaten können nicht miteinander befreundet sein.“