Die zweite Phase des Projektes an der Universität Stuttgart hat begonnen. Stadt, Bürger und Forscher tüfteln wieder gemeinsam an der Mobilität der Zukunft und führen Experimente in der Stadt durch.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Die Ideen der Studenten und Bürger waren vielfältig: eine Rollschuh-Demo am Österreichischen Platz, autofreie Straßen an einzelnen Tagen an wechselnden Orten, eine Art Radkofferraum und natürlich das alte Stuttgarter Thema „besser Leben am Fluss“. Bei der Auftaktveranstaltung der zweiten Phase des Reallabors für nachhaltige Mobilitätskultur im Württembergischen Kunstverein haben mehrere Gruppen Vorschläge präsentiert. Die Forscher des Reallabors wählen dann später geeignete Projekte daraus aus, die dann Studenten im Rahmen eines Uniseminars mit dem Titel „Provisorische Architektur“ weiterentwickeln können.

 

Die Parklet – Parkplätze wurden zu Sitzflächen –, eine Stäffele-Gallery, Lastenräder und eine Bürger-Rikscha sind zum Beispiel während der ersten Projektphase entstanden. „Stuttgart bewegt sich“ – unter dem Titel läuft nun die Fortführung des Reallabors unter der Federführung des Städtebau-Instituts der Universität Stuttgart weiter. Der Sinn eines Reallabors ist aber eben der, dass die dortigen Forscher nicht alleine vor sich hinforschen, sondern gemeinsam mit Stadt, Bürgern und zivilgesellschaftlichen Initiativen mit neuen Mobilitätsformen experimentieren.

Was wäre Stuttgart ohne Autos? In Experimenten spielen die Forscher den Gedanken durch

Die grundsätzliche Idee hinter dem Reallabor ist, die Stadt anders, ja neu zu denken, von alten Mustern wegzukommen: Was wäre, wenn nicht überall Autos fahren würden? Wie könnten sich die Menschen stattdessen fortbewegen? Stichwort: Lastenräder oder Bürger-Rikscha. Daran wollen die Kooperationspartner arbeiten. „Es geht nicht um Mobilität, sondern wirklich um Mobilitätskultur“, betonte Martina Baum. Sie ist Direktorin des Instituts für Städtebau, Professorin für Stadtplanung und in dieser Funktion die Leiterin des Reallabors. Ihr geht es vor allem darum, Bürger aktiv einzubinden. „Wie zufrieden sind Sie mit ihrer Stadt? Was könnte besser werden? Und wie kann ich als Bürger dazu beitragen?“ Das sind die Fragen, die sie bei der Eröffnung den Besuchern stellte. Denn genau diese „aktive Rolle der Bürger“ sei es, was ein Reallabor ausmache.

Und wie könnte eine andere Mobilitätskultur aussehen? Für Baum hat das viel damit zu tun, vom Auto als dominierendem Verkehrsmittel wegzukommen: „Der Verkehr ist nur ein dienendes Element. In Stuttgart hat sich das ins Gegenteil verdreht. Das Auto ist das alleinige Mittel geworden.“ Um das zu ändern, brauche es, „den Mut zu handeln, Mut für Visionen“.

Die Stadt gehört am Ende allen: Fußgängern, Radlern, Autofahrern

Der öffentliche Raum gehört allen. Das ist der Gedanke, der alle Teilnehmer – also Universität, Stadt und die Bürger – eint. Doch ganz ohne Auto wird es wohl in Zukunft nicht gehen. Worum es also auch geht bei dem Forschungsprojekt? „Die Leitlinie ist, Respekt für alle, die andere Nutzungsformen haben“, sagte Wolfgang Forderer, Leiter der städtischen Abteilung Mobilität. Es gehe nicht darum, Feindbilder zu bedienen. In Richtung der Studenten sagte er: „Sie wollen die Welt retten, aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie nach dem Projekt die Welt nicht ganz gerettet haben.“ Es gelte, „groß über kleine Dinge zu denken“.

Und natürlich dreht es sich sich auch darum, die mitzunehmen, die gerne hätten, dass alles so bleibt, wie es ist. „Es braucht also Aushaltungsprozesse“, sagte Baum. „Der Mensch muss das Neue aber wirklich erfahren. Er muss es spüren.“ Erst dann sei er bereit, eine Veränderung anzunehmen.