Die Lerchenrainschule will sich mehr nach außen öffnen und verfolgt ein neues Lernkonzept. Das von Professor Martin Weingart an der Pädagogischen HochschuleLudwigsburg entwickelt Konzept der „offenen Bürgerschule“ bindet unter anderem Menschen aus dem Stadtbezirk in den Schulalltag mit ein.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Statt Geometrie und Rechtschreibung stehen nachmittags ein Besuch in der Geschichtswerkstatt oder Kurse von Aquarellmalen bis Umweltschutz auf dem Programm. Der Unterricht wird dann nicht von den Lehrern gemacht, sondern von Eltern oder anderen Menschen aus dem Stadtteil. „Ich finde es gut, wenn wir auch von Experten außerhalb der Schule lernen können“, sagt Florian. Der Zwölfjährige besucht die Lerchenrainschule in Heslach. Die Schulleitung dort strebt derzeit das Konzept der offenen Bürgerschule an. Eine dieser Expertinnen, wie sie sich Florian vorstellt, ist zum Beispiel Susanne Wirth, die im Stuttgarter Süden zu Hause ist. Sie engagierte sich bereits als Vorlesepatin. Für die offene Bürgerschule hat sie sich ebenfalls schon Gedanken gemacht. Sie wolle eine Art Kurs mit dem Titel „Was Oma noch wusste“ geben. „Wie zum Beispiel Marmelade einkochen“, sagt sie bei der Auftaktveranstaltung.

 

Rund 60 Lehrer, Eltern und Interessierte haben sich an der offenen Diskussionsrunde in der Sporthalle der Lerchenrainschule beteiligt, gemäß einer der Maximen der offenen Bürgerschule „die Bildung eines Kindes ist Ergebnis und Verantwortung aller, in deren Mitte es lebt“. Ein wichtiger Punkt bei dem Netzwerkprojekt von Martin Weingart, Professor an der an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, ist, dass sich Bürger aus dem Stadtteil, Lokalpolitiker und Eltern und aktiv in der Schule engagieren. Dies geschieht über einen Bürgerbeirat mit festen Mitgliedern. Die Idee der Schulleiterin Dorothea Grübel war deshalb, Interessierte direkt in den Aufbauprozess einzubeziehen.

Noch ist es allerdings ein weiter Weg dorthin. Die Vorschläge sind oft noch unkonkret. Dennoch, ein großes Plus der Schule ist es, dass diese schon immer eine enge Verbindung in den Stadtteil hat und viele außerschulische Aktivitäten anbietet. Was das konkret Neue an dem Konzept wäre? Der Bezirksvorsteher Raiko Grieb sieht dies in der Systematisierung der ganzen Aktionen sowie in der bewussten Integration von Projekten in der Nachbarschaft in den Unterricht. „Das ist auch mir als Bezirksvorsteher wichtig“, betonte Grieb. Insgesamt beurteilt er das Projekt als wichtig für die Schule.

Die offene Bürgerschule ist jedoch keine neue Schulart. „Es ist lediglich eine andere Art des Lernens, es macht Ergebnisse stabiler und nachhaltiger“, so die Ansicht von Martin Weingart. Seit 2010 arbeitet er mit inzwischen sieben Schulen in Baden-Württemberg zusammen. Was ihn dabei besonders antreibt, ist die Frage, warum manche Schüler erfolgreich sind und andere gar nicht. Im Fokus seiner Forschung steht aber auch nachhaltiges Lernen. „Wann merkt sich jemand etwas?“, fragte er in die Runde und gab gleich selbst die Antwort: „Dann, wenn etwas ganz besonders interessiert.“ So vergessen laut Weingart junge Mädels selten, wann welche Kandidatin bei „Germanys next Topmodel“ ausgeschieden ist, während fußballbegeisterte Jungs sich ohne Probleme die komplette Bundesliga-Tabelle merken können.

Und genau dieses Interesse an Dingen müsse in einer Schule mehr kultiviert werden, so Weingart. Denn: „Ein Mensch, der sich für nichts interessiert, hat schlechte Karten in seiner Zukunft.“

Die offene Bürgerschule

Konzept
Das Netzwerkprojekt wurde an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg von Professor Martin Weingardt entwickelt und besteht seit Oktober 2010. Inzwischen nehmen sieben Schulen an dem Projekt teil.

Schwerpunkt
Im Zentrum steht mehr Bürgerbeteiligung an Schulen. Bürger oder Lokalpolitiker können sich dabei in Form eines „Bürgerbeirats“ an den Schulen einbringen. Ziel ist eine bewusste Öffnung der Schule nach außen für externe Bildungspartner. Die „offene Bürgerschule“ ist keine neue Schulart, sondern lediglich ein Konzept, welches auf und in allen Schularten angewandt werden kann.

Leitgedanke
Das Konzept hat fünf Eckpunkte: Diese sind externes sowie individuelles Lernen, bewusste Aufnahme von „differenten“ Schülern, Lehrer investieren in die Verständigung und in ein schulspezifisches Curriculum.