Für die medizinische Versorgung wird die Augenklinik am Katharinenhospital viel gelobt. Die langen Wartezeiten aber stoßen auf immer lautere Kritik. Nun soll gegengesteuert werden, auch von ganz oben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart -

 

An seine Behandlung in der Augenklinik am Katharinenhospital erinnert sich Wolfgang H. mit sehr gemischten Gefühlen. Die Operation seines Glaukoms, lobt der 73-Jährige aus Kornwestheim, sei „hervorragend und nach heutigem Stand nachhaltig“ verlaufen. Insgesamt biete die Klinik eine sehr gute medizinische Versorgung und könnte eine Vorzeigeeinrichtung sein – wäre da nicht die völlig chaotische Organisation.

„Untragbare Zustände“, moniert H., herrschten in der Ambulanz der Klinik, wo Patienten mit Termin und Notfallpatienten aufeinander träfen. Viele Stunden lang gelte es untätig auf harten Stühlen zu warten, bis man endlich zum Arzt gerufen werde, das sei „menschenunwürdig und patientenverachtend“. Schon am Vormittag sei der Wartebereich übervoll, trotzdem kämen immer neue Menschen dazu – was nicht gerade von „Terminierungskunst“ zeuge. Wenn die Ambulanz spätabends schließe, ziehe der verbliebene Tross weiter vor die Zimmer der Stationspatienten, die eigentlich dringend Ruhe bräuchten. Bis in die frühen Morgenstunden habe bei seinem Aufenthalt ein solcher Geräuschpegel geherrscht, dass er kaum schlafen konnte.

Viel Kritik auf Bewertungsportalen

Wolfgang H. mag ein besonders kritischer Patient sein. Schon frühere Erfahrungen in einem anderen Bereich des Katharinenhospitals irritierten ihn derart, dass er 2013 ein Buch darüber schrieb. Titel: „Krebs, König der Spieler.“ Im Gesundheitswesen, so das Fazit seiner persönlichen Erlebnisse, herrschten „unhaltbare Zustände“. Doch mit seinen Klagen über die Organisation der Augenklinik steht der Rentner nicht alleine. Auf den einschlägigen Bewertungsportalen im Internet, die natürlich nicht repräsentativ sind, finden sich immer wieder ähnliche Berichte.

Überwiegend Lob gibt es dort für die Ärzte und die medizinische Betreuung, viel Kritik aber an den „unakzeptablen Wartezeiten“ bis zu acht oder neun Stunden. Auf 11.15 Uhr sei er bestellt gewesen, schildert ein Patient, erst um 18.30 Uhr habe er endlich heimgehen können. Zermürbend sei diese Geduldprobe gerade für ältere Menschen, berichten Leidensgenossen. Die Stimmung unter den Wartenden sei „richtig explosiv“ gewesen, Besucher aus dem Umland kämen abends kaum noch heim. Unorganisiert, chaotisch, unprofessionell – mit solchen Attributen wird die Organisation mehrfach bedacht. Andere Patienten hingegen finden, dass man angesichts der erfolgreichen Behandlung gerne über die Mängel hinwegsehe.

Klinik-Bürgermeister entschuldigt sich

Bei der Stadt und dem Klinikum sind die Probleme bekannt, an Abhilfe wird gearbeitet, wie Briefe an Wolfgang H. zeigen und eine StZ-Anfrage ergab. Der Krankenhausbürgermeister Michael Föll bedauerte „negativen Erfahrungen“ von H. sehr und entschuldigte sich „für die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten“. Er habe die seit April amtierende neue Geschäftsführung gebeten, „sich intensiv mit der Klärung und Verbesserung zu befassen“.

Gleich nach seinem Dienstantritt, berichtete der oberste Klinik-Manager Jan Steffen Jürgensen, habe er sich „vor Ort einen Eindruck verschafft“ und mit den leitenden Ärzten gesprochen. „Die medizinische Leistungsfähigkeit und auch die operative Ergebnisqualität der Klinik sind stark“, hielt er fest. Allerdings seien die Versorgung von Patienten mit Terminen und die Notfälle – täglich zusammen oft mehr als 100 – „eine besondere organisatorische Herausforderung“. Terminvergabe und Ablauforganisation seien „verbesserungsbedürftig“, lange Wartezeiten oder gar verschobene OP-Termine „eine teils vermeidbare Belastung“. Er werde sich den Problemen widmen, verblieb Jürgensen. „Die Effizienz der Augenklinik erscheint gut“, hieß es in einer Auskunft des Klinikums an unsere Zeitung.

Die schärfste Kritik von Wolfgang H. („menschenverachtende Chaosstruktur“) wird darin als „nicht nachvollziehbar“ zurückgewiesen. „Objektiv problematisch“ seien hingegen „gelegentlich lange Wartezeiten“. Zu diesen komme es, wenn in Stoßzeiten der Bedarf die Ressourcen übersteige. Etliche organisatorische, bauliche und prozessuale Verbesserungen habe der Leiter der Augenklinik, Professor Florian Gekeler, bereits realisiert. Weitere Analysen mit dem Ziel einer zügigeren Behandlung seien geplant. Dabei nimmt die Klinik auch eine „Besonderheit“ in den Blick: Im Zuge einer Kooperation unterstütze man die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dabei, den augenärztlichen Notfalldienst sicherzustellen – eigentlich deren „originäre Aufgabe“. Wenn die KV das Einzugsgebiet der Ambulanz nun noch ausweiten wolle, sei „über eine Aufstockung der Personalkapazitäten und ein stärkeres Engagement der KV“ zu sprechen.

„Sehr viele zufriedene Patienten“

Der Klinikchef Gekeler bedauerte, dass Wolfgang H. nicht zu dem angebotenen persönlichen Gespräch bereit gewesen sei. „Es tut mir in der Seele weh, wenn sich Patienten bei uns nicht gut aufgehoben fühlen“, schrieb er ihm. Alle Mitarbeiter gäben täglich ihr Bestes, und das werde regelmäßig von „sehr sehr vielen zufriedenen Patienten“ bestätigt. Seit seinem letzten Besuch ist auch H. etwas versöhnt: die Wartezeit sei schon sehr viel kürzer gewesen.