Auktionshaus Nagel in Stuttgart Der Luxus der Kaufhaus-Milliardärin ist gefragt

Fünfstellige Beträge für eine banale Handtasche? Steht der richtige Herstellername darauf, gehen im Auktionshaus Nagel am Dienstag die Hände nach oben. Foto: stzn/ak

Im Stuttgarter Auktionshaus Nagel kommt der edle Hausrat der Kaufhauserbin Heidi Goëss-Horten unter den Hammer. Nicht nur ihre Handtaschen sind begehrt.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Das goldene Hämmerchen fällt an diesem Dienstag im Stuttgarter Auktionshaus Nagel im Minutentakt. Während draußen die Hitze über dem Asphalt flirrt, flirren drinnen die Nullen. Vor dem Komma versteht sich. Was hier unter der spröden Ankündigung „Auktion Nr. 826 – Kunst und Luxus aus Privatbesitz“ zum Verkauf kommt, reizt Bietende aus der ganzen Welt. Auf dem Bildschirm neben dem Auktionator prangen Preise in sechs Währungen.

 

Vor allem an Telefonen, von zahlreichen Nagel-Kräften bedient, wird um den edlen Hausrat und die Handtaschen-Sammlung der Kaufhauserbin Heidi Goëss-Horten gefeilscht. Dass der Wohlstand von Helmut Horten und damit auch der seiner Witwe seine Basis in der NS-Zeit hat? Jüdische Organisationen protestierten gegen eine der ersten Horten-Auktionen bei Christie’s und wollten sich auch nicht mit Spenden zum Schweigen bringen lassen.

Der Name Horten fällt bei Nagel nicht

Seither läuft die noble Haushaltsauflösung anonym, auch im Auktionshaus Nagel fällt der Name der Kaufhaus-Erbin nicht. Schließlich soll der Erlös an einen guten Zweck, nämlich an die Heidi-Goëss-Horten-Stiftung fließen, die medizinische Forschung unterstützt. Und denen, die hier in Hongkong-Dollar, russischen Rubeln oder chinesischen Renminbi mitbieten, ist die Herkunft von goldenen Tabakdosen oder Barockkommoden, für die zum Teil sechsstellige Preise erzielt werden, offensichtlich egal: Kaum etwas von dem, was in elf Sattelschleppern nach Stuttgart reiste, findet kein Interesse. Tafelsilber kiloweise, Edelfedern im Dutzend, Tischklingeln und Zeugnisse vergangener Pracht, deren Bezeichnungen heute keiner mehr kennt: Man staunt, wie eine Person Zeit, Geld, Platz und vor allem Lust finden konnte, so viel Überfluss anzuhäufen.

Am frühen Nachmittag, als rund hundert Handtaschen der Kaufhaus-Milliardärin versteigert werden, kommt mehr Leben in den Auktionssaal; der Mops einer Interessentin kläfft nervös. Vielleicht fürchtet er beim Blick auf eingefärbte Eidechsen- und Kroko-Haut ums eigene Wohlergehen? Bei einzelnen der angebotenen Taschen hatte auch das Ministerium für Umwelt mit Blick auf das Artenschutzübereinkommen Bedenken und wollte eingehender prüfen, weshalb ein paar Losnummern zurückgestellt werden mussten.

Vor allem telefonisch wird viel mitgeboten. Foto: stzn/ak

Monika Gottlieb, die Kuratorin des Taschen-Angebots, ist bei dessen Aufruf im Fokus von zwei Fernsehteams. Der ahnungslosen Nebensitzerin erklärt sie flüsternd die Qualität der insgesamt rund 700 Positionen starken Taschen-Sammlung der Horten-Erbin. „Das ist eine Rarität. Ich wüsste nicht, dass ich schon einmal eine solche Kollektion in der Hand hatte, die aus so erstklassigen Stücken bestand“, fügt die 77-jährige Expertin an. „Alle sind sehr gepflegt und waren auf mehrere Wohnsitze verteilt. Da sammelt sich was an“, sagt die Mode-Kennerin, manche Stücke gerieten da eben auch in Vergessenheit und seien entsprechend neuwertig.

Vom Mississippi an den Neckar

Die Preise hat Monika Gottlieb sehr realistisch deutlich unter den Originalpreisen angesetzt. Manches Schnäppchen ist so möglich. Die meisten Taschen werden im Rahmen der Schätzpreise versteigert, sehr gefragt ist allerdings die Kelly-Bag von Hermès. Je nach Größe und Farbe haben Vorabgebote einzelne Exemplare beim Aufruf schon auf 20 000 Euro hochgetrieben. 33 000 Euro erzielt eine schwarze Mini-Variante. Der Mississippi-Alligator, der dafür in den 1990er Jahren sein Leben lassen musste, kommt posthum am Neckar groß heraus.

Info

Höchstpreis
Mit einem Zuschlag von 200 000 Euro war eine Tischuhr von Cartier, das seltene „Modèle Mystérieuse A“ aus den 1920er Jahren, das teuerste Stück der Auktion. Ihr Schätzpreis hatte bei 150 000 Euro gelegen.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Stuttgart Luxus