Berlin feiert am Freitag Aung San Suu Kyi. Mit einem Lächeln im Gesicht fordert die Friedensnobelpreisträgerin aus Myanmar einen Preis für die schönen Bilder.

Berlin - Die Gäste im Willy-Brandt-Haus springen auf, applaudieren ergriffen, als die zierliche Frau die SPD-Zentrale betritt. Ein paar Sekunden verweilt Aung San Suu Kyi unter der Hand der mächtigen bronzenen Statue Willy Brandts, die so aussieht, als segne sie jene, die ihr zugewandt sind. Kaum ein Smartphone, das da nicht in die Höhe gereckt wird, um Bilder zu machen von einer Frau, die hierzulande in einem Atemzug genannt wird mit anderen Ikonen des Freiheitskampfes – Nelson Mandela, Stephan Biko oder dem Dalai Lama. 15 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in ihrer Heimat Myanmar im Hausarrest. Sie musste in der Militärdiktatur um ihr Leben fürchten, wurde wegen ihres Freiheitswillens von Bands wie U2 in Stadien besungen. 2010 kam sie frei, zaghaft wagten die Armeeführer Reformen, aber es ist nicht sicher, wie ernst sie es meinen mit der Demokratie.

 

An diesem Tag soll die Friedensnobelpreisträgerin von SPD-Chef Sigmar Gabriel den Willy-Brandt-Preis erhalten. Man merkt Gabriel an, dass er sich durch ihre Gegenwart mindestens so geehrt fühlt, wie die Preisträgerin von der Auszeichnung, die ihr zuteil wird. Er erzählt, dass es ihm „den Atem verschlagen“ habe, als er sie fragte, wie man so lange in Unfreiheit überstehen könne. Denn sie habe ihm mit feinem Humor geantwortet: „Am Anfang war es mal ganz gut, eine Weile allein zu sein“.

Mit Norbert Lammert im Bundestag . . . Foto: dpa

Suu Kyi will 2015 Präsidentin werden. Das geht aber nur, wenn die vom Militär kontrollierte Regierung die Verfassung ändert. Ihr verstorbener Mann war Brite, ihre Söhne sind Briten und US-Amerikaner, das schließt bisher ihre Kandidatur aus. Nicht nur deshalb will sie die Verfassungsänderungen. Sie will auch die Unabhängigkeit der Justiz und andere Reformen, Umbauten des Staates eben, die notwendig sind, wenn eine Diktatur sich nicht nur den Anschein geben will, demokratisch zu sein.

Der Westen soll sie dabei unterstützen. Vier Tage ist die 68-Jährige, an der man kaum Spuren ihres Alters und keine Anzeichen von Verbitterung erkennen kann, deshalb auch in Deutschland. Sie weiß um ihre Wirkung. Ihr Charisma ist ihre Waffe, ihr Charme ist entwaffnend. In Berlin wird die Oppositionspolitikerin des eher unbedeutenden Landes empfangen wie ein Staatsoberhaupt. Endlich mal kein Despot, kein korrupter Schlawiner, kein eiskalt lächelnder „enger Partner“. Aung San Suu Kyi bedient die unerfüllbare Sehnsucht nach einer Form von Außenpolitik, bei der die Weste weiß und die Hände sauber bleiben. Keiner will es versäumen, sich an ihrer Seite fotografieren zu lassen. Lange steht Kanzlerin Angela Merkel mit ihr am Donnerstag in der Skylobby des Kanzleramtes an der großen Fensterfront, mit ausladenden Gesten deutet sie vor den Kameras auf den Bundestag. Merkel weiß um die Macht dieser Bilder. Suu Kyi, die ihre Anhänger „Lady“ nennen, auch.

. . . mit dem Präsidentenpaar im Schloss. Foto: dpa

Barrack Obama würde kaum anders behandelt, nur die militärischen Ehren fehlen, aber mit Militär hat es Suu Kyi eh nicht so. Ein Essen bei Präsident Joachim Gauck, Gespräche mit Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Entwicklungsminister Gerd Müller, die Preisverleihung, Gespräche mit Wirtschaftsvertretern, heute noch ein Besuch der Gedenkstätte Berliner Mauer mit Berlins Regierendem Bürgermeister – mehr geht nicht.

Sollen andere in ihrer Umgebung vom Guten und Schönen träumen, sie macht Politik. Deutschland soll schon jetzt ein kritisches Auge auf Myanmar werfen, nicht erst bei den Wahlen 2015, fordert sie in der SPD-Zentrale. Denn die Zeit vor der Wahl entscheide darüber, ob nicht lediglich Uniformen gegen Anzüge gewechselt würden: „Noch ist Birma keine Demokratie.“ Bei ihrem Besuch geht unter, dass Suu Kyi für jene, die schon jetzt ein Auge auf Myanmar, das frühere Birma, werfen, an Glanz verloren hat. Kritiker bemängeln, dass sie die eskalierende Gewalt gegen die muslimische Minderheit kaum kritisiert. Sie unterstellen ihr im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen deshalb Zurückhaltung aus politischem Kalkül. Sie unterstellen der Ikone – Realpolitik.