Viel Lob bekam der SWR für sein Projekt „News for Refugees“. Doch nach zweieinhalb Jahren soll damit nun Schluss sein. Das Angebot sei so nicht mehr nötig, meint der Sender – und erntet Widerspruch und Protest.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der SWR-Intendant wandte sich direkt an den Ministerpräsidenten. Auch der Sender, schrieb Peter Boudgoust im Herbst 2015 an Winfried Kretschmann, wolle seinen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise leisten. Man habe ein journalistisches Online-Angebot eingerichtet, das sich gezielt an Asylsuchende richte. Auf „News for Refugees“ fänden diese nützliche Informationen in Deutsch, Englisch, Arabisch und Sprachen aus dem afghanischen Kulturkreis. Der Regierungschef möge Flüchtlinge und Helfer darauf hinweisen, bat Boudgoust, auf dass „die Integration gelingen kann“.

 

Eher beiläufig verkündet der SWR nun das Aus für das Angebot. Ende Juni werde das von Anfang an befristete und bereits zweimal verlängerte Projekt eingestellt, bestätigte ein Sendersprecher unserer Zeitung. Der Facebook-Account mit den bisherigen Inhalten bleibe noch bis Ende des Jahres bestehen, dann sei Schluss. „Wir werden unsere Arbeit für euch an dieser Stelle einstellen“, heißt es dort lapidar. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erfuhr erst durch die StZRecherchen von der Entscheidung, das Integrationsministerium offenbar ebenso.

Weitaus mehr Fans als die Landesschau

„Wir können stolz darauf sein, in einer schwierigen Zeit so viele Menschen mit einem zielgruppengerechten Angebot . . . erreicht zu haben“, bilanziert der SWR-Sprecher. Tatsächlich gelten die „News for Refugees“ allenthalben als Erfolg. Die Mischung aus Information und Unterhaltung, von Machern mit und ohne Migrationshintergrund liebevoll aufbereitet, kam beim Publikum bestens an. Praktische Tipps zum Alltag in Deutschland mit so wundersamen Gepflogenheiten wie Mülltrennung oder Kehrwoche, übersetzte Nachrichten aus dem Südwesten und aller Welt, ein augenzwinkernder Kurs „Schwäbisch für Anfänger“ – das traf den Geschmack des Publikums. Der Facebook-Kanal zählt inzwischen fast 180 000 Abonnenten, weitaus mehr als jener der „Landesschau“. „Ich finde eure Arbeit klasse und sehr wichtig“, lobten auch deutsche Nutzer. Nur vereinzelt gab es Kritik aus der rechten Ecke, wofür da Gebührengelder verwendet würden.

Warum nur macht der SWR nun Schluss damit? Aus Spargründen? Zum finanziellen und personellen Aufwand für die „News for Refugees“, die in der Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft offenbar von einem Redakteur betreut wurden, gibt es keine Auskunft. Er soll sich in engen Grenzen halten, auch dank des Engagements von Studenten und Geflüchteten zu Minimal-Honoraren. Das Angebot, argumentiert der Sender, sei so nicht mehr nötig: die Zahl der neu kommenden Flüchtlinge sinke, die Bleibenden hätten „in der Regel Deutschkenntnisse erworben“, die Integration schreite voran. Fazit: Die „Refugees“ könnten nun das reguläre Programm nutzen.

Integrationsminister zeigt Verständnis

Beim Integrationsministerium von Manfred Lucha (Grüne) findet der SWR dafür Verständnis. Man könne die Entscheidung „nachvollziehen“, heißt es. Sie folge dem Grundsatz, dass Geflüchtete „so rasch wie möglich die Regelsysteme nutzen“ sollten. Im Südwesten gebe es zudem zahlreiche andere Initiativen, die Flüchtlingen das Ankommen erleichterten.

Ganz anders sieht das der Flüchtlingsrat. „Mit Bestürzung“ habe man von dem Aus erfahren, sagt der Geschäftsführer Sean McGinley. „Sehr, sehr schade“ fände er es, wenn das Angebot wegfiele. Es sei nicht nur eines der erfolgreichsten Projekte dieser Art in Deutschland, sondern werde nach wie vor benötigt: „Die Nachfrage ist weiterhin enorm hoch.“ Für viele Geflüchtete könne das reguläre Programm keinen gleichwertigen Ersatz bieten, zudem kämen ja immer noch neue, auch durch den Familiennachzug.

Der WDR sieht noch großen Bedarf

Auch aus SWR-Sicht versteht McGinley den Entschluss nicht: „News for Refugees“ habe doch „eine Reichweite und eine aktive Community, von der viele andere Medienangebote nur träumen können“. Ähnlich argumentierten senderinterne Kritiker. Auch beim Westdeutschen Rundfunk denkt man nicht daran, das Online-Angebot für Flüchtlinge („WDRforyou“) einzustellen. Ob auf Facebook mit mehr als 400 000 Abonnenten, Youtube oder Instagram – „diese Kanäle wachsen, weil der Informationsbedarf nach wie vor sehr groß ist“, sagt eine Sprecherin. Man versuche freilich, sie weiterzuentwickeln: Sie böten nicht mehr „nur das Nothilfe-Programm“, sondern griffen neue Themen auf, etwa um Schwarzarbeit oder Schulprobleme. Seit März gebe es zudem ein Angebot für Menschen mit russischen Wurzeln. „Die Resonanz ist nach wie vor hervorragend“, bilanziert die Sprecherin. Bei den Nutzern komme es sehr gut an, wie man ihnen Deutschland erkläre und „auf Augenhöhe“ begegne.

Im Südwesten gibt der Flüchtlingsrat die Hoffnung noch nicht auf. Inzwischen hat er eine Online-Petition an den SWR-Intendanten Boudgoust gestartet. Der zentrale Appell: „Wir bitten Sie, die Entscheidung zu überdenken und das erfolgreiche Projekt weiterzuführen.“