290 Mitarbeiter des Bodenbelagsherstellers bekommen nur noch sechs Monate Geld. Die Vertreter der Arbeitnehmer üben massive Kritik an der Geschäftsleitung, die die Beschäftigten zu spät über die wahre Lage informiert habe.

Bietigheim - Zumindest die nächsten sechs Monate sind für die Beschäftigten des Bodenbelagsherstellers DLW Flooring in Bietigheim-Bissingen gesichert. Für diesen Zeitraum nämlich wird eine Transfergesellschaft eingerichtet. Start dafür soll Anfang März sein, sagte Andreas Klose, der Bezirksleiter der Gewerkschaft IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie), vor Journalisten in Bietigheim. Dort sollen die insgesamt 290 Mitarbeiter, die vom Aus des Traditionsunternehmens betroffen sind, für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden. Darunter seien viele un- und angelernte Beschäftigte, teilweise seien sie jahrzehntelang im Unternehmen, erläuterte der Betriebsratsvorsitzende Frank Jungermann, der seit 1980 auf der Gehaltsliste steht.

 

Rückblende: Im Oktober 2017 hat DLW Flooring zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren Insolvenz anmelden müssen. Betroffen waren insgesamt 730 Mitarbeiter an den Standorten Bietigheim und Delmenhorst bei Bremen. Mitte Januar wurden in Bietigheim 190 Mitarbeiter freigestellt. Seit wenigen Tagen steht nun fest, dass es zwar einen Käufer für das Linoleumwerk im Norden gibt – die französische Gerflor-Gruppe –, nicht jedoch für das Stammwerk in Bietigheim. Das hat DLW Flooring mitgeteilt. Ein Großteil der Produktion in Bietigheim – etwa die PVC-Fertigung – ist bereits eingestellt. Derzeit arbeitet noch ein kleines Team vorhandene Aufträge im Bereich Schwimmbadfolie ab. Im Laufe des Jahres ist endgültig Schluss. Lediglich 40 Mitarbeiter in Bietigheim aus Vertrieb und Verwaltung, die bisher schon für Delmenhorst gearbeitet haben, wurden von dem neuen Eigentümer übernommen. Die Vertreter der Arbeitnehmer kritisieren heftig, dass die Eigentümer in den vergangenen Jahren zu wenig in den Standort investiert hätten. Vermutlich werde noch mit den Maschinen aus den 1980er Jahren produziert, witzelte Jungermann. Und sie üben massive Kritik an der Geschäftsleitung, die die Beschäftigten zu spät über die wahre Lage informiert habe. Die negativen Nachrichten hätten die Mitarbeiter unvorbereitet und „mit Wucht getroffen“, sagte Gewerkschafter Klose.

Die Transfergesellschaft ist mit sechs Millionen Euro ausgestattet

Ester Maraha, die seit 13 Jahren in der Verwaltung bei DLW Flooring arbeitet, ist enttäuscht über das Verhalten ihres Arbeitgebers. „Noch im Dezember haben sie uns gesagt, dass es weitergehen wird. Wir sollen uns keine Sorgen machen“, erzählt sie. Deshalb habe sie auch noch keine großen Anstrengungen unternommen, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden, beklagt sie. Ihr Kollege Peter Scholz hat mittlerweile erste Erfahrungen mit Bewerbungen gesammelt – und Absagen kassiert. Der 60-Jährige ist im Bereich Facility Management tätig. Er ist nicht freigestellt, sondern gehört zu dem Team, dem die Abwicklung übertragen wurde. Anschließend wird auch er in die Transfergesellschaft wechseln.

Mit einem Finanzpolster von rund sechs Millionen Euro, das die Kreissparkasse Ludwigsburg vorfinanziert, ist die Transfergesellschaft – Refugio in Plochingen – ausgestattet, sagte Gewerkschafter Klose. Beglichen werden die Schulden dann zum einen aus dem Verkauf des Zweitwerkes in Delmenhorst an die französische Gerflor-Gruppe. Auch ein Teil des Erlöses aus dem geplanten Verkauf des Grundstücks in Bietigheim soll für die Transfergesellschaft verwendet werden. Der Gläubigerausschuss hätte den Plänen bereits zugestimmt. Das Grundstück befinde sich in guter Lage in Bietigheim; der Investorenprozess laufe derzeit, teilte das Unternehmen weiter mit. Darüber hinaus beteiligt sich die Bundesagentur für Arbeit an der Transfergesellschaft.

In Delmenhorst drohen Einschnitte

Während die Transfergesellschaft steht, ist unklar, ob die Beschäftigten auf weitere Überweisungen aus dem Unternehmen hoffen dürfen. „Die Arbeitszeitkonten standen im Plus“, erläuterte Betriebsrat Jungermann. Soll heißen, die Beschäftigten haben bereits Stunden geleistet, die bisher noch nicht vergütet wurden. Damit werden die Beschäftigten zu Gläubigern, allerdings werden ihre Forderungen nicht bevorzugt, führte Rechtsanwalt Norman Hagel von der Kanzlei Langer & Hagel, aus. Um wie viel es sich dabei handelt, konnte der Betriebsrat aber nicht sagen. Bereits zuvor haben die Beschäftigten den Gürtel für das Unternehmen enger geschnallt. Seit 2014 seien Tariferhöhungen in Bietigheim nicht weitergegeben worden. Zudem sei in dieser Zeit kein Weihnachtsgeld gezahlt worden, so Jungermann. In Summe, rechnet der Betriebsratsvorsitzende vor, hätten die Beschäftigten in dieser Zeit auf drei Millionen Euro verzichtet.

Einschnitte hinnehmen müssen künftig auch die Beschäftigten im Linoleumwerk Delmenhorst. Mit der Gewerkschaft IG BCE wurde ein Ergänzungstarifvertrag vereinbart, der eine Beschäftigungssicherung für die 270 Mitarbeiter in Norddeutschland und die verbleibenden 40 Beschäftigten in Bietigheim bis Ende 2022 vorsieht. Im Gegenzug müssen die Mitarbeiter auf Gehalt verzichten – Klose schätzt, dass sich die Entgeltreduzierung auf bis zu 14 Prozent summieren könnte.