Mit dem Ende von „Wetten, dass . .?“ gehört die große Samstagsshow endgültig der Vergangenheit an. Der Absturz der Show ist aber nicht allein Moderator Markus Lanz anzulasten.

Stuttgart - Kaum ein Medium hat sich nach seiner Einführung so rasant verbreitet wie das Fernsehen. Alsbald galt es als Lagerfeuer der Nation, und kein Programmgenre hat diesen Status in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren besser repräsentiert als die mit viel Aufwand betriebene und mit illustren Gäste bestückte Samstagabendshow. Schon die Einführung der Privatsender hat diesen Nimbus der Unantastbarkeit angekratzt. Die sogenannte Fragmentierung des Fernsehmarktes hat die Talfahrt in den letzten zehn Jahren noch beschleunigt: Zielgruppengenau zugeschnittene Programme lassen die Angebote für die Familie mittlerweile wie Fernsehen von gestern wirken.

 

Dass sich „Wetten, dass . .?“, das letzte Flaggschiff aus der guten alten Fernsehzeit, überhaupt so lange gehalten hat, war ein Phänomen. Aber auch damit ist jetzt Schluss: Das ZDF zieht die Konsequenz aus der frustrierenden Quotenentwicklung der vergangenen Monate und stellt die Produktion zum Jahresende ein; lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Markus Lanz wird fortan mit dem fragwürdigen Ruf leben müssen, Totengräber der bis dahin erfolgreichsten Show Europas zu sein.

Alle großen Sender müssen Zuschauerverluste hinnehmen

Dabei hat er allenfalls eine Entwicklung beschleunigt, die ohnehin unausweichlich war. Alle großen Sender müssen seit geraumer Zeit eklatante Zuschauerverluste hinnehmen. Auch die zuletzt regelmäßig zeitgleich mit „Wetten, dass . .?“ ausgestrahlten RTL-Sendungen „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Das Supertalent“ sind längst nicht mehr die Quotenknüller früherer Jahre.

Die Gründe liegen buchstäblich auf der Hand: Zehn Millionen Zuschauer erreicht ein Sender heute nur noch, wenn man Menschen aller Altersgruppen anspricht, aber gerade das junge Publikum widmet sich lieber seinen Smartphones und Tablet-Computern. Abgesehen von wichtigen Fußballspielen gelingt es mittlerweile einzig dem „Tatort“, sämtliche Generationen vor dem Fernseher zu versammeln.Man mag das bedauern, aber das ist der Lauf der Dinge. Außerdem zeigt die Vergangenheit, dass alle Flaggschiffe irgendwann verschrottet worden sind. „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff, „Der goldene Schuß“, erst mit Lou van Burg, dann mit Vico Torriani, „Drei mal neun“ und „Der große Preis“, beide mit Wim Thoelke, „Auf los geht’s los“ mit Joachim Fuchsberger: alles Straßenfeger zu ihrer Zeit, alle irgendwann vom Zeitgeist überholt und abgehängt worden. Im Grunde ist es Markus Lanz nicht anzulasten, das Ende von „Wetten, dass . .?“ forciert zu haben.

Ausgerechnet das junge Publikum ließ Lanz hängen

Anfangs wollten noch fast 13,6 Millionen Menschen wissen, wie sich der Moderator in den Fußstapfen Thomas Gottschalks zurechtfindet, danach aber gab es einen kontinuierlichen Quotensinkflug bis unter die 6-Millionen-Marke. Dass es letzten Samstag wieder deutlich mehr Zuschauer waren, dürfte nicht zuletzt an den Gerüchten über den bevorstehenden Rücktritt des Moderators gelegen haben. Ausgerechnet das junge Publikum, das zuvor in Umfragen für eine Fortsetzung der Show votiert hatte, setzte sein Abstimmungsverhalten jedoch nicht in die Tat um.

Man kann getrost davon ausgehen, dass ein alter Hase wie Thomas Gottschalk diese Entwicklung kommen gesehen hat. Er hatte im Februar 2011 seinen Abschied von „Wetten, dass . .?“ angekündigt, nachdem sich zwei Monate zuvor der damals 23 Jahre alte Samuel Koch beim Versuch, auf Sprungfedern über ein Auto zu hüpfen, schwer verletzt hatte. Damals, sagte Gottschalk später, sei „Schluss mit lustig“ gewesen: im Wortsinne, weil die Sendung abgebrochen wurde, aber auch für ihn. Irgendwann, tröstete er seine Fans, „wäre es sowieso passiert“.

Es schien, als hätte Lanz die Lust an der Show verloren

Es wäre vermutlich unredlich, dem Moderator zu unterstellen, dass ihm der schockierende Unfall als willkommener Anlass diente, aber er bot ihm zumindest die Möglichkeit eines ehrenvollen Abgangs: Die Zuschauerzahlen, die sich stets wie selbstverständlich im satten zweistelligen Millionenbereich bewegt hatten, lagen immer öfter unterhalb der Zehn-Millionen-Marke. Spätestens die Ausgabe vom Samstag hat zudem gezeigt, dass der Absturz der Show nicht allein dem Moderator anzulasten ist. Die Gäste waren gut drauf, die Wetten originell wie eh und je; eigentlich war alles wie immer. Man muss Lanz nicht mögen, aber er störte auch nicht weiter.

Es ist daher nicht recht einzusehen, warum Markus Lanz mit dieser Mixtur nicht mal annähernd so viele Menschen erreicht hat wie sein Vorgänger. Vermutlich wären die Quoten von „Wetten, dass . .?“ ohne die Strahlkraft Gottschalks viel früher abgestürzt. Dabei hatte es schon lange den Anschein, als hätte der letzte Repräsentant der goldenen Fernsehära die Lust an der Show verloren. Wenn man ehrlich ist, waren zuletzt bloß noch seine Witze besser.

Sämtliche Redaktionen leiden seit Jahren unter Sparzwang

Das Ende von „Wetten, dass . .?“ markiert jedoch nicht nur den Schlussstrich unter der großen Samstagabendunterhaltung. Wenn das ZDF nun die Konsequenzen zieht und die Show einstellt, beugen sich die Mainzer auch dem Souverän des Fernsehens: Kein Sender kann es sich mehr leisten, am Zuschauer vorbeizusenden. Sieht man mal davon ab, dass für teure Fußballrechte auf wundersame Weise nach wie vor genug Geld vorhanden zu sein scheint, leiden sämtliche Redaktionen seit Jahren unter einem rigiden Sparzwang.

Die Produktion von „Wetten, dass . .?“ kostet pro Ausgabe mindestens zwei Millionen Euro, hat aber im Vergleich zu einem Fernsehfilm einen eklatanten Nachteil: Der Film ist nicht nur günstiger und erreicht im Zweifelsfall mehr Zuschauer, er kann zudem beliebig oft wiederholt werden.