Verärgert sind viele Fans, weil das ZDF die Vorabendserie „Dr. Klein“ nach fast fünf Jahren einstellt. Aber auch für den Medienstandort Stuttgart ist das Ende ein großer Rückschlag. Wird eine neue Serie folgen?

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Die Mainzer Programmchefs sagen’s nicht offen. Doch Fernsehkenner wundern sich nicht. Die „Sportschau“ mit der Bundesliga im Ersten hat die in Stuttgart produzierte ZDF-Serie „Dr. Klein“ aus dem Spielfeld gekickt. Seit die Geschichten um die kleinwüchsige Kinderärztin Dr. Klein alias Christine Urspruch vom Vorabend des Freitags auf den des Samstags verlegt worden sind, ging es mit den Quoten nach unten – keineswegs in unterirdische Bereiche. Drei Millionen Menschen haben zuletzt immer noch eingeschaltet. Wenn das kein solider Wert ist!

 

Für das ZDF war’s wohl trotzdem nicht genug, weshalb es nach der abgedrehten fünften Staffel keine Fortsetzung geben wird. Viele Fans sind entsetzt und verstehen die Welt nicht mehr. „Immer die guten Sendungen werden eingestellt“, schreibt einer von ihnen auf der Facebook-Seite der Serie, „und der Schrott, der bleibt.“ Ein anderer prophezeit: „Bestimmt zaubert das ZDF eine neue Krimiserie aus dem Hut. Wie wär’s mit der ,Soko Wanne-Eickel‘?“

Simon Licht lobt „gleichbleibend großartige Bücher“

Simon Licht, der den Gegenpart zur Kinderärztin gespielt hat, erklärt die in den sozialen Medien momentan trotzig angestimmte Begeisterung für die etwas andere Serie vor allem mit den „gleichbleibend großartigen Büchern“, die Chefautor Torsten Lenkeit geschrieben hat. „Die Geschichten haben unseren Kosmos im Kleinen so vielschichtig und charmant abgebildet“, findet er. So bunt wie die Gesellschaft seien diese Geschichten gewesen.

„Zum letzten Ausstrahlungstermin Anfang April werden wir uns zu einem großen Ensembleessen treffen“, hat Simon Licht unserer Zeitung gesagt, „wir werden trauern und uns über die gute Arbeit freuen.“ Noch sechs neue Folgen werden ausgestrahlt – dann wiederholt das ZDF alle fünf Staffeln am für den Sender schwierigen Samstagvorabend um 19.30 Uhr.

Bis zu 150 Fernsehleute haben für „Dr. Klein“ gearbeitet

Man kann es auch positiv sehen: Die Serie ist fast fünf Jahre lang gelaufen, was in der schnelllebigen Zeit des Fernsehkonsums keine Selbstverständlichkeit ist. Dass es nicht weitergeht in der fiktiven Kinderklinik Rosenstein, ist nicht nur für die Fans hart. Der Medienstandort Stuttgart muss einen herben Rückschlag hinnehmen. Bis zu 150 Fernsehleute haben für diese Serie vor und hinter der Kamera gearbeitet – immer dann, wenn eine Staffel gedreht wurde. Wechsel, Abschied und Neubeginn gehören zur Fernsehbranche. Techniker und Schauspieler sind es gewohnt, dass sie mobil sein müssen und oft in anderen Städten zu tun haben. Viele hätten freilich gern in Stuttgart weitergemacht. Die Voraussetzungen für Dreharbeiten sind in den vergangenen Jahren hier immer besser geworden. Seit über zehn Jahren ist der ZDF-Krimi „Soko Stuttgart“ fest verankert in der Stadt und mit den Quoten so stabil, dass dort die Angst vor einer Absetzung nicht umgeht.

Aber sicher könne man nie sein, heißt es bei der Produktionsfirma Bavaria Fiction. Dort setzt man nun alles daran, dass es in Stuttgart mit einer neuen Serie weitergehen kann. An Ideen mangelt es nicht. Torsten Lenkeit, Headautor und Produzent von „Dr. Klein“ und „Soko Stuttgart“, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat, gilt als ein besonders brillanter Geschichtenerzähler. Neuen Stoff für Stuttgart wird er garantiert entwickeln – doch kann er sich damit auch in den Sendern durchsetzen? Die Konkurrenz ist groß und der Erfolgsdruck steigt.

Werbung für „Dr. Klein“ beim CSD in Stuttgart

Beim ZDF, so ist in Stuttgart zu hören, habe man es sich mit der Entscheidung zu „Dr. Klein“ nicht leicht gemacht. Von der Qualität der Serie seien die Verantwortlichen nach wie vor überzeugt. Doch gegen den zeitgleichen Fußball in der ARD scheinen selbst gute Geschichten nichts ausrichten zu können. Eine Rückkehr auf den alten Sendeplatz am Freitagabend, wo die Stuttgarter Serie bis zu vier Millionen Zuschauer erreicht hat, ist nicht möglich, da hier die Serie „Bettys Diagnose“ fest im Programm steht. Offensichtlich haben die Chefs beim ZDF keinen neuen Sendeplatz für Christine Urspruch und ihre Kollegen gefunden. Eine offizielle Begründung für die Absetzung der bei den Zuschauern beliebten Serie ist vom ZDF nicht zu erfahren.

Im vergangenen Sommer hat Bavaria Fiction noch mal die Werbung für „Dr. Klein“ forciert. Beim Christopher Street Day fuhren die Fernsehleute gleich mit zwei Trucks durch die jubelnde Stadt. Auf einem ist für die Serie gedreht worden. Patrick Keller alias Leander Lichti, seit der ersten Folge dabei, verliebt sich bei der regenbogenbunten Parade in den Wirtschaftsprüfer Chris Brandt alias Joshua Grothe. Was er da noch nicht weiß: Ausgerechnet sein neuer Freund soll prüfen, wie man in der Rosensteinklinik Geld einsparen kann und ob man sie besser privatisieren sollte. Hat dieser Chris Brandt gar noch mehr geprüft? Womöglich hat er für das ZDF herausgefunden, dass die Kosten für die Serie zu hoch sind bei drei Millionen Zuschauern. Vielleicht sollte man einfach auch nur dann aufhören, wenn’s am schönsten ist.