Wohl nie zuvor erfuhr der reichste Mensch der Welt so viel Aufmerksamkeit wie Elon Musk. Die Diskussion über seine Macht und seine Ausfälle ist ein guter Anlass, auch in Deutschland über Reichtum zu sprechen, meint unsere Kolumnistin Siri Warrlich.
Elon Musks Reichtum ist schwer zu begreifen. Er besitzt laut Forbes mehr als 400 Milliarden US-Dollar. Nie zuvor hat ein Mensch diese Marke geknackt. Doch bei Musk geht es nicht nur um Geld. Es geht um die Verwandlung von Geld in Macht. Musk hat Trumps Wahlkampf mit mehr als 270 Millionen US-Dollar unterstützt. Als Regierungsberater könnte Musk Behörden abschaffen, die seine eigenen Firmen regulieren. Auch auf die europäische Politik nimmt Musk Einfluss – über sein Medium X oder mit dem Gerücht, dass er viele Millionen an die rechtspopulistischen Partei Reform UK spenden könnte.
Elon Musk legt auf krasse, nicht zu übersehende Weise offen, wie Reichtum zu politischer Macht führt, der jegliche demokratische Legitimation fehlt. „Wir sehen hier im Grunde genommen ein oligarchisches System“, sagte der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen dem Deutschlandfunk.
So furchtbar diese Entwicklung ist, liegt in ihr auf einer anderen Ebene auch eine Chance: Durch Musk wird mehr über die Verbindung zwischen Reichtum und Macht gesprochen. Etwas, das häufig eher im Verborgenen lag, rückt ins Licht. Das böte die Gelegenheit, den Blick auch in Deutschland auf das Thema Reichtum zu lenken. Selbstverständlich sind nicht alle Superreichen so drauf wie Elon Musk. Und ja, Spenden spielen im Wahlkampf in Deutschland eine weniger große Rolle als in den USA. Dennoch liegt vieles im Argen.
Stellen Sie sich vor, das gesamte Vermögen in Deutschland wäre ein Kuchen. Schneidet man in ihn drei Teile, würden fast zwei der drei Teile an die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft gehen. Das zeigen Auswertungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Die Ungleichheit ist über Jahrzehnte stark gewachsen. Das liegt auch daran, dass Deutschland bei Arbeit ein Hochsteuerland ist, bei Kapital aber ein Niedrigsteuerland. Wer mehr als etwa 67 000 Euro brutto im Jahr für seine Arbeit verdient, zahlt darauf 42 Prozent Einkommenssteuer. Wer dagegen 300 Immobilien erbt, zahlt unter Umständen gar keine Erbschaftssteuer, so Sebastian Eichfelder, Professor für Steuerlehre an der Universität Magdeburg im ZDF.
Was müsste, was könnte sich ändern? Interessante Einblicke liefert die Journalistin Julia Friedrichs in ihrem Buch „Crazy Rich“. Wichtige Erkenntnisse daraus, maximal komprimiert: Erstens, die Datenlage zu Reichtum in Deutschland ist schlecht – auch, weil in der Soziologie die Tradition besteht, sich wissenschaftlich eher mit den Armen als mit den Reichen auseinanderzusetzen. Zweitens, natürlich schafft Reichtum auch in Deutschland politischen Einfluss. Superreiche beschreiben Friedrichs zum Beispiel, wie sie trotz vollgepackter Zeitpläne bei Spitzenpolitikern einen Termin kriegen. Drittens, seit Jahren beteuern Politiker verschiedener Couleur, dass es ein großes Problem sei, dass Arbeit in Deutschland so stark besteuert werde und Vermögen so gering.
Trotzdem setzt sich keine Regierung dafür ein, es zu ändern. Gründe dafür sieht Friedrichs darin, dass das Thema sperrig, die Zahl der Steuerexperten gerade bei linkeren Parteien eher gering sei – und diese Parteien es eher als Teil ihrer DNA verstünden, den Armen zu geben anstatt den Reichen zu nehmen. „Was es bräuchte, wäre eine Art ‚New Deal‘ zwischen den Superreichen und dem Rest, ein Handschlag, um den Weg, der kommt, gemeinsam zu gehen“, schreibt Friedrichs am Ende ihres Buches.
Einige ihrer extrem reichen Gesprächspartner fordern selbst mehr Steuern für sich. Ein Gegeneinander von Arm und Reich führe nicht weiter, so Friedrich. „Eine Überzeugung habe ich aus den Gesprächen mitgebracht: So wahnsinnig weit liegen die Verhandlungspositionen gar nicht auseinander.“ Denn die meisten Menschen in Deutschland erwarteten gar keine Welt, in der alle gleich reich seien, sondern eigentlich nur, dass die Ungleichheit sich in Maßen hält. Wie kann das gelingen? Der aktuelle Fokus auf Reichtum, ausgelöst durch die Eskapaden von Elon Musk, wäre eine Chance, darüber zu reden.