Seit Jahrzehnten kämpfen die Bewohner des Vaihinger Ortsteils darum, die Bundesstraße 10 aus ihrer Mitte zu verbannen. Nun geht es entscheidend voran: Der Bund beginnt mit einem Planfeststellungsverfahren. Ein Teil davon: die sogenannte „Monsterkreuzung“.

Vaihingen/Enz - Auf dem Papier ist das, was an diesem Montag passiert, nur ein schnöder Verwaltungsvorgang. Für viele Menschen in Vaihingen-Enzweihingen könnte es aber der Beginn der Erlösung sein. Der Erlösung von Dreck, Lärm und mehreren Zehntausend Autos vor ihrer Türe, jeden Tag. Am Montag werden im Rathaus die Unterlagen für ein Planfeststellungsverfahren ausgelegt, an dessen Ende die Genehmigung zum Bau der B-10-Umfahrung des Ortsteils stehen soll. 32 Millionen Euro will der Bund für die Strecke ausgeben, über die schon seit Jahrzehnten diskutiert wird – und die nun in greifbare Nähe rückt. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagt der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch. Dabei ist ein Tunnel genau das, was nicht kommt – auch wenn über eine solche Röhre für die Bundesstraße immer wieder debattiert worden war.

 

Die Straße, die bislang mitten durch den 3800-Einwohner-Teilort läuft und rund 28 000 Fahrzeuge pro Tag mit sich bringt, wird stattdessen in einem großen Bogen um Enzweihingen herumführen, so sehen es die endgültige Pläne des Stuttgarter Regierungspräsidiums (RP) vor. Aus dem Enzkreis kommend werden die Autos über eine Rampe auf die neue, zweispurige Bundesstraße fahren. Die Trasse quert die Enz dann auf einer 170 Meter langen Brücke, ein ebenfalls neues, sogar 180 Meter langes Viadukt überspannt im weiteren Verlauf den Strudelbach. Am nördlichen Rand von Enzweihingen, über das ehemalige Gelände der Firma Kienle und Spieß hinweg, verläuft die Umfahrung weiter, bis sie nach insgesamt 2,6 Kilometern, die neu gebaut werden müssen, hinter dem Ortsausgang, an der Enzweihinger Steige, in die heutige B-10-Trasse mündet.

Rund 28 000 Fahrzeuge rollen täglich durch den Ort

Und genau dort, vor den Toren Enzweihingens, schieden sich in der Vergangenheit die Geister. Denn der Plan des RPs sieht an dieser Stelle Rampen, Zufahrtsstraßen und eine Brücke vor: Ein Bauwerk, gegen das die Stadt sich 2009 ausgesprochen hatte und das von manchen Stadträten wahlweise als „Monsterkreuzung“ oder als „Klotz“ betitelt wurde. Im Februar 2015 entschieden die Planer im Berliner Verkehrsministerium jedoch: Eine vierspurige Straße mit Kreuzungen und Ampeln würde zwar weniger wuchtig ausfallen, bedeute aber größere Eingriffe in die sensible Natur an der Enz. Ein Knoten mit nur zwei Spuren geht zwar in die Höhe und zu Lasten der Ästethik, hat aber Vorteile in Sachen Naturschutz. Zudem sei er leistungsfähiger, könne also mehr Fahrzeuge aufnehmen, hieß er zur Begründung.

Klar ist also: Die „Monsterkreuzung“ wird kommen, die Pläne aus Stuttgart und Berlin sind endgültig. Seinen Schrecken scheint das Monster gleichwohl verloren zu haben. Stattdessen macht sich Pragmatismus breit: „Der Bund bezahlt, der Bund bestimmt – das muss allen bewusst sein“, sagt der Rathauschef Gerd Maisch. Die Zeit, über verschiedene Varianten zu diskutieren, sei abgelaufen. „Irgendwann muss man akzeptieren“, meint Maisch. Zumal das Projekt nach 40 Jahre andauernder Debatte nicht an einer Kreuzung scheitern dürfe. In der Vergangenheit hatten die zahllosen Varianten immer wieder zu Verzögerungen geführt, nach der Landstagswahl 2011 schien ein Tunnel wieder en vogue, nur um am Ende in der Schublade zu verschwinden. Jetzt sind die Verfechter der Umgehung kurz vor dem Ziel.

2020 könnte der Bau beginnen – wenn keine Klagen kommen

Bis zum 1. August können Bürger ihre Einwände während des Genehmigungsverfahrens vorbringen, diese werden dann an einem Erörterungstermin besprochen. In etwa einem Jahr könnte der sogenannte Planfeststellungsbeschluss fallen, das rechtliche grüne Licht für die Straße. Er rechne im besten Fall mit einem Baustart im Jahr 2020, sagt Gerd Maisch – für den Fall, dass es keine Klagen gegen die Umfahrung gibt. Vor allem Naturschützer hatten das Projekt immer wieder kritisiert. Von konkreten Klagepläne wisse er zumindest im Moment aber nichts, sagt Maisch.

Vor dem Neubau kommt die Sanierung

Baustelle
Die B 10 wird seit dem vergangenen Jahr auf der Strecke zwischen dem Vaihinger Ortsteil Enzweihingen und der Grenze zum Enzkreis aufwendig saniert. Ende 2016 wurde auf der Enzweihinger Durchfahrt neuer Asphalt aufgetragen, an zwei Wochenende im Juni und Juli ist nun der Abschnitt bis zur Kreisgrenze an der Reihe. Auch hier werde eine neue Deckschicht auf die Fahrbahn aufgetragen, teilt das Stuttgarter Regierungspräsidium mit. Der Bund hat die Sanierung in Auftrag gegeben und zahlt dafür rund 2,3 Millionen Euro.

Sperrung
Für Autofahrer auf der B 10 ist die Baustelle mit Einschränkungen verbunden: von Freitag, 23. Juni, um 19 Uhr bis Montag, 26. Juni, um 5 Uhr ist die Straße von der Ausfahrt Vaihingen-West bis zur Egelseebrücke komplett gesperrt. Eine Woche später, von Freitag, 30. Juni, an wird die B 10 von der Egelseebrücke bis zum Ortseingang Enzweihingen in beiden Richtungen nicht befahrbar sein.

Umleitung
Während der beiden Wochenenden, die die Bauarbeiten voraussichtlich dauern, gibt es für Autofahrer eine weiträumige Umleitung. Autos in Richtung Vaihingen werden über Oberriexingen, Unterriexingen und die Landesstraße zwischen Sachsenheim und Sersheim umgeleitet. Erst beim Steinbruch Illingen (Enzkreis) kann die B 10 wieder benutzt werden. In der Gegenrichtung gilt die gleiche Umleitungsstrecke, hier ist die Bundesstraße ab der Enzweihinger Steige wieder offen.