Arbeitssklaven für die Winterspiele: ausgebeutet, misshandelt, eingesperrt – die bitteren Erlebnisse serbischer Bauarbeiter in Sotschi.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Sotschi -  Noch sind die Olympischen Spiele in Sotschi nicht eröffnet. Doch schon jetzt ist das kostspieligste Sportspektakel der Welt für den bosnischen Bauarbeiter Milan Vukelja zum Albtraum geworden. Zwölf Kilogramm hat der 45-Jährige bei seinem zweieinhalb Monate währenden Arbeitseinsatz in der Olympia-Stadt verloren. Von den versprochenen 1300 Euro pro Monat sollte er nicht einmal ein Fünftel  erhalten – und zum Ende seines Einsatzes als Schwarzarbeiter auch noch im Gefängnis landen.

 

Um ein wenig Geld für sich und seine Familie beim Bau der Olympiastätten und Hotels zu verdienen, hatte sich der Maurer aus seinem Heimatdorf im nordbosnischen Prijedor wie Tausende anderer Montagearbeiter aus Zentralasien und Osteuropa im Herbst nach Sotschi aufgemacht. Vermittelt hatte den Job bei der russischen Staatsfirma die private Arbeitsagentur „Hey You“ im serbischen Cacak. Freie Unterkunft, Logis und Transport sowie ein für bosnische Verhältnisse gutes Monatssalär waren ihm in Aussicht gestellt worden.   Doch schon als sie die russische Grenze erreichten, merkte er,  dass sich die Verheißungen der Jobvermittler nicht erfüllen sollten. Statt der angekündigten Arbeitsgenehmigung erhielt er nur ein Touristenvisum in den Pass gestempelt:  „Ich merkte schon am ersten Tag, dass ich betrogen werde“, berichtete Vukelja nach seiner Abschiebung der Zeitung „Nezavisni Novine“ – „aber ich konnte nicht mehr zurück.“ 

  Rund 100 000 Arbeiter sollen in den vergangenen Jahren die Sportstätten und Hotelanlagen in Sotschi aus dem Boden gestampft haben – 16 000 davon sollen im Ausland angeworben worden sein, vor allem in früheren Sowjetrepubliken. Mehrfach haben Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch auf die systematische Ausbeutung und die Hungerlöhne der Arbeitsimmigranten  hingewiesen: Subunternehmer bezahlten den Beschäftigten oft monatelang keine Löhne aus und behielten deren Papiere ein.  

Verbittert berichteten aber auch die Ende Januar nach Belgrad ausgeflogenen Bauarbeiter aus Serbien und Bosnien-Herzegowina über ihre Erfahrungen in Sotschi.   Müde und abgezehrt wirkten die Männer mit den ausgebeulten Sport- und Reisetaschen, die am Belgrader Flughafen im Blitzlichtgewitter der Fotografen über ihr Arbeitsmartyrium erzählten.

Umgerechnet 200 Euro habe er von seinem Vorarbeiter zu Beginn erhalten, „danach nichts mehr“, so Predrag Lero aus dem bosnischen Dorf Bileca: Zwölfstündige Arbeitstage seien die Regel gewesen, die Unterbringung sei in zugigen Bauruinen oft ohne sanitäre Anlagen erfolgt. Tagelang hätten sie in ihrer Baracke selbst  neben der Leiche eines verstorbenen Kollegen schlafen müssen, berichtete der 25-jährige Goran Mirkovic aus Belgrad: „Ihr könnt euch das nicht vorstellen.“  

Auch bei den letzten Vorbereitungen müssen Hilfskräfte Hand anlegen. Foto: dpa

Zur Ausbeutung durch die Arbeitgeber kamen mit der näher rückenden Eröffnung der Spiele noch die verschärften Kontrollen der russischen Arbeitsinspekteure hinzu. In den letzten drei Tagen vor dem von der serbischen Regierung organisierten Heimflug sei er vor allem damit beschäftigt gewesen, vor der Polizei zu flüchten, berichtet einer der Rückkehrer. Milan Vukelja rannte nicht weg – er wusste nicht, wohin. Wegen fehlender Arbeitserlaubnis wurde er verhaftet: „Essen gab es für uns im Gefängnis nur das, was die Justizbeamten für uns übrig ließen.“  Immer wieder sei ihnen gesagt worden, dass die Auszahlung der Löhne „am Ende“ erfolge, berichtet sein serbischer Schicksalsgenosse Slobodan Babic: „Es kam das Ende, wir beendeten unsere Arbeit – aber Geld haben wir keines mehr gesehen.“