Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat die Vereinigung Jeunes Restaurateurs in Kooperation mit der Dehoga-Akademie und der Paul-Kerschensteiner-Schule einen neuen Ausbildungsgang in Bad Überkingen eigens für Spitzenköche ins Leben gerufen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Bad Überkingen - Eine schicke Kochjacke, ein edles Messer-Set, eine Laptoptasche, ein Vliespulli und ein dickes Handbuch, alles mit dem entsprechenden Logo versehen: rein materiell ist der Premierenjahrgang der Genuss-Akademie schon mal ganz gut ausgestattet. Auch sonst sollten die 24 Jungköchinnen und Jungköche, die am Montag in Bad Überkingen „eingeschult“ worden sind, die besten Voraussetzungen haben, um eine Karriere in der Spitzengastronomie ansteuern zu können. Sie starten in den besten Restaurants der Republik in ihren künftigen Beruf. Sie haben sternegeschmückte Lehrherren. Und sie sind die ersten, die in den Genuss kommen können, ihr Ausbildung als „Genusshandwerker“ abschließen zu können.

 

Die JRE, die Jeunes Restaurateurs (siehe Info-Kasten), haben sich schon vor etlichen Jahren der Gewinnung von qualifiziertem und motiviertem Nachwuchs verschrieben. In Koblenz war 2005 eine Eliteklasse für angehendes Toppersonal am Herd gegründet worden. „Jetzt drehen wir das Rad in Bad Überkingen weiter, weil wir mit der dort ansässigen Akademie des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) und der Paul-Kerschensteiner-Schule als Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe optimale Partner haben“, sagt Michael Oettinger, der JRE-Patron der frisch gegründeten Genuss-Akademie.

Extra-Schulinhalte und zusätzliche Einheiten an der Dehoga-Akademie

Oettinger, der das Hotel Restaurant Hirsch in Fellbach-Schmiden im Rems-Murr-Kreis umtreibt, hat das Konzept federführend mit entwickelt: „Wir brauchen für unsere Bedürfnisse ein gehobenes Ausbildungsniveau, was in einer homogen zusammengesetzten Klasse leichter zu erreichen ist.“ Der Anspruch sei entsprechend hoch, werde aber auch durch Extra-Schulinhalte und mit 60 zusätzlichen Unterrichtseinheiten an der Dehoga-Akademie entsprechend befeuert, ergänzt er.

Der JRE-Vizepräsident Andreas Hillejan sieht seine Vereinigung dabei in der Pflicht: „Wir bieten etwas, weil es auch in der Spitzengastronomie immer schwieriger wird, gute Leute zu finden.“ Über die Jahre habe die Branche rund die Hälfte der einst 40 000 Auszubildenden verloren. „Deshalb müssen wir neue Wege gehen, um im öffentlichen Fokus wieder positiv und als Karrieremotor wahrgenommen zu werden. Michael Oettinger formuliert die Zielsetzung: „Wir wollen dafür sorgen, dass wir nicht suchen müssen, sondern gesucht und gefunden werden.“

Die Premieren-Azubis wissen was sie wollen – und was auf sie wartet

Der Sternekoch Bernd Werner vom Schloss Eberstein in Gernsbach, zugleich Table d’Honneur, ist der Beweis dafür, dass das gelingen kann: „Wir haben keinen Mangel an jungen Fachkräften, weil wir in dem Ruf stehen, junge Talente mit einem eigenen Programm und gleich vier Küchenmeistern zu begleiten.“ In zehn Jahren seien auf diese Weise mehr als 50 Nachwuchskräfte „produziert“ worden, fügt er hinzu. „Durch die Genuss-Akademie, die jetzt gleich drei meiner Azubis besuchen, wird das auf alle Fälle, zusätzlich befördert“, freut sich Werner. Auch Dieter Manz, der Rektor der Paul-Kerschensteiner-Schule ist froh, dass die Genuss-Akademie in Bad Überkingen ansässig ist: „Das ist eine Herausforderung, aber auch eine Auszeichnung für uns, dass wir an diesem bundesweit einzigartigen Ausbildungsgang mitwirken können.“

Und was sagen die jungen Starter selbst: Kevin Schmieg, der in Oettingers Restaurant lernt, sieht in der Genuss-Akademie, das entscheidende Kriterium für seine Kochausbildung. „Ich habe lange überlegt, ob ich diese oder eine andere Lehre mache. Aber das Konzept hat mich dann total überzeugt“, erklärt der 18-Jährige. Dem erst 16 Jahre alten Valentin Adam, der einen Ausbildungsplatz im Landhaus Fleckl in Ehningen (Kreis Böblingen) ergattert hat, geht es genauso: „Ich wollte schon immer in die Sterneküche und habe hier die besten Möglichkeiten für eine solche Karriere.“

Dass er dafür etwas tun muss, ist dem jungen Sindelfinger klar: „Ich habe hier alle Chancen und je mehr ich dafür arbeiten muss, umso mehr lerne ich.“ Für Zanda Mierkalne waren die „zusätzlichen Angebote“ ebenfalls der springende Punkt. Die 26-jährige Lettin absolviert ihre Lehre auf dem Heidelberger Schloss. Auf ihr Studium der Volkswirtschaftslehre sattelt sie jetzt noch die Genuss-Akademie drauf.

Hohe Anforderungen bei den Jeunes Restaurateurs

Vor mehr als 40 Jahren haben junge engagierte Spitzenköche in Frankreich die Vereinigung Jeunes Restaurateurs (JRE) gegründet. Unter dem Motto „Never-ending Passion“ zeigen die JRE-Köche in mittlerweile 13 europäischen Ländern, was sie vereint: hohe kulinarische Standards und Mut zur Innovation bei gleichzeitiger Pflege regionaler Traditionen.

Deutschland
73 Mitglieder, die es auf insgesamt 50 Michelin-Sterne bringen, zählen aktuell in Deutschland zu den JRE. Die Aufnahmekriterien sind streng: nicht jünger als 25 Jahre, nicht älter als 37 Jahre. Außerdem sollte der Antragsteller in mindestens drei Restaurantführern erwähnt sein und bei seiner Bewerbung von zwei oder mehr JRE-Mitgliedern unterstützt werden. Wer die Altersgrenze überschreitet, kann als Table d’Honneur weiter bei den Jeunes Restaurateurs mitwirken. Mit dem 55. Geburtstag wird man dann zum Membre d’Honnneur ernannt.