Eine Expertengruppe soll helfen, junge Zuwanderer in Ausbildungsplätze zu bringen. Für bewährte Instrumente wie die assistierte Ausbildung werden mehr Plätze gefördert, für Sprachklassen sucht das Land Lehrer.

Stuttgart - Andreas Hoffmann beschreibt das Problem, mit dem es viele Kleinunternehmer in den letzten Jahren verstärkt zu tun bekommen: Sie finden keine motivierten und qualifizierten Bewerber mehr, um ihre Lehrstellen zu besetzen. „Die großen Industriekonzerne können sich die besten Bewerber herauspicken und wir bekommen die, die übrig bleiben“, sagt der Geschäftsführer eines Kirchheimer Herstellers von Gummi- und Kunststoff-Formteilen. Fünf Azubis beschäftigt der 50-Mann-Betrieb; einer davon stammt aus dem Irak. Der 23-Jährige hat im September eine Lehre zum Maschinen- und Anlagenführer begonnen. Hoffmann findet viele positive Worte für den engagierten jungen Mann, der seit 2009 in Deutschland lebt, obwohl dieser bereits eine Lehre zum Maler und Lackierer abgebrochen hat. Über mehr Unterstützung für seinen Auszubildenden, insbesondere abseits der Arbeitszeit, wäre Hoffmann dennoch froh.

 

Damit mehr Betriebe diesem Vorbild folgen, haben die Partner des Ausbildungsbündnisses im Land ein Maßnahmenpaket geschnürt. Nach dem Willen von Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) soll es damit gelingen, im Lehrjahr 2016/17 bis zu 1100 Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen. „Für die meisten Menschen, die hierbleiben, ist eine abgeschlossene Berufsausbildung der beste Weg zur Integration“, sagte Schmid am Mittwoch im Anschluss an das Spitzengespräch des Bündnisses. Die Partner, darunter Landesministerien, die IHK, der Handwerkstag, kommunale Arbeitgeberverbände, der DGB und die Bundesagentur für Arbeit (BA), gründen eine Task-Force „Flüchtlinge in Ausbildung“. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln und zu systematischen Lösungen und geordneten Abläufen kommen“, sagte Schmid.

Vier von fünf junge Flüchtlinge könnten Lehre gebrauchen

Die Aufgabe ist keineswegs trivial. Wie Christian Rauch, der Leiter der BA-Regionaldirektion im Südwesten, erläuterte, haben 80 Prozent der jungen Zuwanderer ein Bildungsniveau unterhalb dem eines Facharbeiters. Im Schnitt würde es zwischen fünf und sechs Jahren dauern, bis sie eine Berufsausbildung abgeschlossen hätten, so Rauch. Vor der Lehre stehen Sprachkurse, ein Schulabschluss sowie Förderprogramme zur Integration. Die Kapazitäten für diese unterstützenden Maßnahmen sollen erhöht werden. So seien im Nachtragshaushalt des Landes beispielsweise Mittel für bis zu 600 zusätzliche Lehrerstellen bewilligt, erklärte Marion von Wartenberg. Laut der Staatssekretärin im Kultusministerium sollen rund zwei Drittel davon an allgemeinbildenden Schulen und ein Drittel an Berufsschulen zur Sprachförderung eingesetzt werden. Die Suche nach geeigneten Kräften gestalte sich allerdings schwierig, das Ministerium versucht deswegen auch Pensionäre zur Rückkehr zu bewegen.

Das Land hat darüber hinaus Stellen für sogenannte Kümmerer ausgeschrieben, die beispielsweise bei den Kammern angesiedelt sein könnten und sich sowohl für die Betriebe um die Rekrutierung von Flüchtlingen als auch um die Betreuung dieser jungen Menschen kümmern sollen.

Einstiegsqualifizierung und assistierte Lehre sind etabliert

Bereits bewährte Instrumente zur Integration von jungen Menschen mit Förderbedarf sind Einstiegsqualifizierung und assistierte Ausbildung. Bei Letzterer fördert die Bundesagentur im kommenden Jahr zusätzlich 500 Plätze, kündigte BA-Chef Rauch an. Zudem werde angestrebt, die Altersgrenze für Teilnehmer an Einstiegsqualifizierungen, die zwischen neun und zwölf Monaten dauern, von bisher 25 Jahren anzuheben. „Wir wollen Flüchtlinge im Alter von bis zu 35 Jahren in Ausbildung bringen“, so der Behördenleiter.

Auf politischer Ebene höchst umstritten ist die sogenannte „3-plus-2-Regel“, die vorsieht, dass geduldete Flüchtlinge für die Dauer einer dreijährigen Ausbildung sowie zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden dürfen. Hier kündigte Minister Schmid einen neuen Anlauf auf Bundesebene an, wo die Regel bislang vor allem in Unionskreisen abgelehnt wird. Sie sei jedoch im Interesse der Betriebe, die Rechtssicherheit bräuchten. Der Vizeregierungschef wies allerdings auch darauf hin, dass die Anstrengungen nicht zu Lasten von einheimischen jungen Menschen gehen dürfen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben.