Flüchtlinge als Lokführer Lobenswert, aber überschaubar

Lokführer werden dringend gesucht. Deshalb sollen Flüchtlinge in Stuttgart zu Lokführern ausgebildet werden. Redakteur Thomas Durchdenwald bewertet, was davon zu halten ist.
Stuttgart - Was nützt ein neuer Zug, was nützt der beste Fahrplan, wenn der Platz des Lokführers leer bleibt? Land, Region, Kreise und Städte pumpen viel Geld in den öffentlichen Nahverkehr. Doch die Unternehmen stoßen immer öfter an Kapazitätsgrenzen, weil ihnen Personal fehlt – zumal in der Region Stuttgart, wo weltweit agierende Industrie- und Dienstleistungsfirmen mit hohen Gehältern locken. Das Nachsehen haben oft die Kunden: Sie warten auf Züge, die nicht kommen, weil zu viele Lokführer krank sind oder anderswo dringender gebraucht werden. In der Region standen im Oktober die Schuster- und die Teckbahn einige Tage still.
Beitrag zur Integration
Vor diesem Hintergrund sollte nichts unversucht bleiben, die Lage zu verbessern. So muss auch die Initiative von Verkehrsminister Winfried Hermann bewertet werden, Flüchtlinge zu Lokführern ausbilden zu lassen. Zuerst: Das ist gut für den Nahverkehr, und es ist gut für die Integration. Aber der Beitrag zur Lösung des Problems ist noch überschaubar. In erster Linie sind die Unternehmen gefordert, so viele Stellen zu besetzen, damit die Züge wie mit dem Land vereinbart und von ihm bezahlt auch fahren. Zusagen müssen eingehalten werden.
Weitere Projekte erforderlich
Gerade im Regionalzugverkehr steht wegen des Wechsels von DB Regio zu Abellio und Go Ahead ein Umbruch an. Falls es Schwierigkeiten gibt, wird sich auch die Politik unangenehmen Fragen stellen müssen – etwa der, ob die beklagte dünne Personaldecke nicht durch Ausschreibungen, die über den Preis entschieden werden, mitverursacht ist. Mit dem lobenswerten Modellprojekt macht Hermann zumindest deutlich, dass er neue Wege beschreitet und nichts unversucht lässt, um der Lage Herr zu werden. Weiteres muss folgen.
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