In einer schriftlichen Einlassung, die sein Verteidiger vorgetragen hat, hat der ehemalige SS-Mann Oskar Gröning erneut seine Beteiligung und Mitschuld am Holocaust im Lüneburger Auschwitz-Prozess eingeräumt.

Lüneburg - Im Auschwitz-Prozess in Lüneburg hat der frühere SS-Mann Oskar Gröning erneut seine Beteiligung und Mitschuld am Holocaust eingeräumt. Auch wenn er an dem Morden nicht unmittelbar beteiligt gewesen sei, habe er durch seine Tätigkeit dazu beigetragen, dass das System Auschwitz funktioniert habe, erklärte der 94-Jährige am Mittwoch in einer schriftlichen Einlassung, die sein Verteidiger verlas. Darin ging er auch auf die erschütternden Schilderungen etlicher Holocaust-Überlebender in dem Prozess ein.

 

Obwohl er seit dem Tag seiner Ankunft in Auschwitz von der Judenvernichtung dort gewusst habe, hätten ihn im Gericht die Aussagen der Überlebenden über ihr Leiden bei der Deportation, im Lager und während ihres späteren Lebens sehr beeindruckt. Um Entschuldigung bat er für den SS-Jargon, den er bei manchen seiner Schilderungen zu Prozessbeginn verwendet hatte. Ihm sei nicht bewusst gewesen, wie sehr dies die Opfer verletze, und das Vokabular von damals gebe nicht seine heutige Auffassung wieder.

"Um Vergebung kann ich nur meinen Herrgott bitten"

Die Opfer habe er vor Gericht bewusst nicht um Vergebung gebeten. Dies stehe ihm angesichts der Dimension des Leids nicht zu. „Um Vergebung kann ich nur meinen Herrgott bitten“, ließ Gröning seinen Anwalt verlesen.

Dem ehemaligen SS-Mann wird Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen vorgeworfen. Er hatte eingeräumt, aus dem Gepäck von verschleppten Juden Geld gezählt und an die SS in Berlin weitergeleitet zu haben. Dies brachte ihm später den Beinamen eines „Buchhalters von Auschwitz“ ein.

Erstmals ging Gröning auf die angesichts des Holocaust oft gestellte Frage ein, was den Einzelnen zur Beteiligung an den unfassbaren Verbrechen brachte und wie die Täter mit der Schuld und den Bildern ihres grauenvollen Tuns weiterleben konnten.

„Es fand bei mir eine Verdrängung statt, die mir heute unerklärlich ist“, ließ Gröning erklären. „Vielleicht war es aber auch die Bequemlichkeit des Gehorsams, zu dem wir erzogen waren und der Widersprüche nicht zuließ. Dieser uns anerzogene Gehorsam verhinderte, die tagtäglichen Ungeheuerlichkeiten als solche zu registrieren und dagegen zu rebellieren.“ Nach heutigen Maßstäben sei dies nicht zu fassen.

Bevor die Staatsanwaltschaft - möglicherweise an diesem Donnerstag - ihr Plädoyer hält, wollen Grönings Anwälte noch auf Fragen an den Angeklagten antworten. Da auch etliche Nebenklagevertreter ein eigenes Plädoyer vorbereiten, ist es noch offen, wann das Urteil fällt.