Das Schwimmen in Flüssen, in Seen und im Meer erlebt einen Boom. Die meisten Schwimmveranstaltungen im Freiwasser stehen von Mai bis September an – einer der schönsten Wettbewerbe für jedermann ist der Earl of Pearl im Zeller See in Österreich.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Stuttgart - Ein paar ganz Unverfrorene haben es auch in den vergangenen Monaten getan, zum Beispiel Anfang Januar im Neckar zwischen Remseck und Ludwigsburg. Alle anderen Wassersportler indes starten erst jetzt in ihre ganz persönliche Open-Air-Saison. Die meisten Schwimmveranstaltungen im Freiwasser stehen nämlich von Mai bis September im Kalender.

 

Bei nahezu all diesen Wettbewerben in Seen, in Flüssen und im Meer darf antreten, wer will. Männer und Frauen, Jung und Alt, gut trainiert und Gelegenheitskrauler. Die sogenannten Jedermann-Wettkämpfe haben sich in den vergangenen Jahren zu wahren Publikumsmagneten entwickelt. Einige Veranstaltungen sind oft schon kurz nach der Ausschreibung ausgebucht, etwa das Förder-Crossing in der Ostsee bei Glücksburg.

Früher war das noch ganz anders. Bis Ende der neunziger Jahre waren viele dieser Wettschwimmen unter freiem Himmel nur lokal bekannt. Die Veranstalter mussten sich auf die Mund-zu-Mund-Propaganda verlassen. 1999 hat der Hobby-Langstreckenschwimmer Carsten Baukus aus Potsdam angefangen, die Internetseite www.langstreckenschwimmen.de aufzubauen. Seither listet der vierzigjährige Kaufmann und Jurist Jahr für Jahr akribisch auf, wer wo wann welchen Wettkampf veranstaltet.

Freiwasserschwimmen erlebt einen Boom

Mittlerweile gibt es mehrere Internetseiten speziell für Langstrecken- und Freiwasserschwimmer. Carsten Baukus gibt neuen Veranstaltern Tipps für die Organisation, er hat den Überblick und sagt: „Das Freiwasserschwimmen erlebt einen wahren Boom.“ Immer mehr Menschen mit einem Faible für Fitness hätten die Vorteile des Kraulens im Freiwasser erkannt: Schwimmen in offenen Gewässern sei „extrem flexibel und an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr möglich“.

Geschwommen wird im Neoprenanzug oder nur mit Badehose beziehungsweise Badeanzug. Profis wie der Olympiazweite Thomas Lurz und blutige Anfänger gehen mitunter gemeinsam an den Start. Die kürzesten Distanzen für Kinder beginnen oft schon mit 200 Metern; die Grenze nach oben ist offen. Ganz neu, sagt Baukus, sei das Scharmützelsee-Schwimmen über elf Kilometer, das erstmals Ende Juli in Brandenburg stattfindet. Viele Vereine und Städte hätten erkannt, dass es mit Hilfe eines Freiwasserschwimmens möglich ist, ohne riesigen Aufwand eine Urlaubsregion bekanntzumachen. Bestes Beispiel ist Zell am See in Österreich. Im Zeller See geht seit ein paar Jahren eines der schönsten und beliebtesten Open-Air-Schwimmen über die Bühne – der Earl of Pearl ist laut Auskunft der Veranstalter das größte Freiwasserschwimmen in der Alpenrepublik.

Teilnehmer werden vom Publikum mit Applaus empfangen

Angefangen hat alles mit einer Schnapsidee von fünf Freunden aus Zell, die selbst gar keine Schwimmer sind und nicht mal mehr in Zell wohnen. Die Kumpels hatten einen Grund gesucht, um sich wenigstens einmal im Jahr im Heimatort zu treffen. „Fast alle Österreicher sind sportbegeistert, und wir haben den See vor der Türe, die Idee war schnell geboren“, erinnert sich Stephan Waltl, einer der Initiatoren des Seeschwimmens im Salzburger Land. Noch am selben Abend im Winter 2008/2009 wurde auch der ulkige Name ausgesucht – seit August 2009 werden in Zell am See einmal im Jahr der Earl of Pearl und die Countess of Pearl gekürt, der Graf und die Gräfin der Perle. Die beiden Gewinner der Fünf-Kilometer-Distanz bekommen bei der Siegerehrung feierlich eine perlenbesetzte Krone auf den Kopf gesetzt. Während des Wettschwimmens geht es manchmal ruppig zu – insbesondere beim Start sollten Neulinge sich zurückhalten und nicht unbedingt in der ersten Reihe auf das Signal zum Losschwimmen warten. Andernfalls könnte es passieren, dass sie von den Cracks überschwommen werden und Schwierigkeiten haben, überhaupt an der Wasseroberfläche zu bleiben.

Manch ein Neuling muss sich kurz nach dem Massenstart so eines Wettkampfs ob seines Übermuts erst mal das Wasser aus der Nase und aus der Luftröhre husten. Während des Wettkampfs im Zeller See – von Boje zu Boje – haben die Teilnehmer eine grandiose Sicht auf das Ufer und auf die Berge. Im Ziel wird dann jeder Schwimmer vom Publikum mit frenetischem Beifall empfangen, die Letzten ganz genauso wie die Sieger. Alle bekommen eine Medaille um den Hals gehängt. Dann steigt die Abschlussparty inklusive Krönung des Earls und der Countess – viele Sportler verabreden sich für das Seeschwimmen in nächsten Jahr. Der fünfte Earl of Pearl steigt in diesem Jahr am Sonntag, den 18. August. Stephan Waltl und seine vier Kumpels stecken längst schon wieder in den Vorbereitungen.