Nach zwei blutigen Kämpfen im Milieu der rockerähnlichen Banden in Ludwigsburg und Stammheim schweigen die Opfer gegenüber der Polizei.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Zwei Männer liegen im Krankenhaus, mit Baseballschlägern verdroschen, mit Messerstichen schwer verletzt. Und keiner von beiden will der Polizei etwas über den Konflikt zwischen Red Legion und Osmanen Germania BC sagen, der zu den brutalen Auseinandersetzungen in Stammheim und Ludwigsburg in der Nacht zum Donnerstag geführt hatte – und bei denen sie ihre Verletzungen erlitten haben. „Wir setzen auf die Spurenauswertung“, sagen Sprecher der Polizeipräsidien in Stuttgart und Ludwigsburg. Sollte einer der Angreifer aktenkundig sein und deswegen sein genetischer Fingerabdruck in der DNA-Kartei des Landeskriminalamts (LKA) hinterlegt sein, sei das eine Möglichkeit, den Tätern auf die Spur zu kommen. Die Auswertung liege aber noch nicht vor.

 

Die Polizei hat in Stuttgart und Ludwigsburg Ermittlungsgruppen eingerichtet

Für die Ermittler wiederholt sich wieder einmal, womit sie immer zu kämpfen haben, wenn Straßenbanden ihre Konflikte gewalttätig austragen: „Vorsichtig ausgedrückt zeigen die Opfer eine eher eingeschränkte Kooperationsbereitschaft uns gegenüber“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Tobias Tomaszewski.

Zwei blutige Auseinandersetzungen, die im Milieu der rockerähnlichen Banden spielen, beschäftigen die Ermittler seit der Nacht zum Donnerstag. Gegen 22 Uhr wurde ein Mann in Stammheim verprügelt, die Angreifer hatten Baseballschläger und Messer dabei. Das 25-jährige Opfer wohnt in Stammheim, es wird der Red Legion zugerechnet, die in Baden-Württemberg seit 2013 verboten ist.

Drei Stunden später gingen 20 Anhänger dieser Bande in Ludwigsburg auf zwei türkischstämmige Männer los, und zwar in der Nähe des Krankenhauses, in dem das Opfer aus Stammheim lag. Ein Mann erlitt schwere, der andere lebensgefährliche Verletzungen. Sie gehören wohl zum Club Osmanen Germania BC, der 2015 als Boxclub in Frankfurt entstand. Die in die blutigen Kämpfe verwickelten Männer verständigten auch nicht die Polizei. Das übernahmen unbeteiligte Zeugen.

Rockerähnliche Banden akzeptieren Gewaltmonopol des Staates nicht

Im Milieu dieser rockerähnlichen Banden und Clubs gilt das ungeschriebene Gesetz, dass man mit der Polizei nicht zusammenarbeitet, auch wenn man selbst das Opfer ist und Hilfe braucht, erläutert ein Sprecher des LKA. „Da kommt eher mal einer ins Krankenhaus und erzählt, er sei in eine Heckenschere gestolpert, als dass er zugibt, in eine Messerstecherei verwickelt gewesen zu sein“, weiß man bei der Polizei.

Dahinter steckt eine nicht nur für Ordnungshüter bedenkliche Einstellung: „Die Banden akzeptieren das staatliche Gewaltmonopol nicht“, sagt der LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Diese Einstellung mache die Banden, die sich äußerlich wie Rocker geben, so gefährlich: „Im Gegensatz zu Rockern wie den Bandidos oder Hell’s Angels, die alles unter sich regeln, wirken diese Gruppen in die Öffentlichkeit hinein“, erläutert Heffner. Es gehe darum, Macht zu demonstrieren und sich Geschäftsfelder zu erschließen. Im Fall der Osmanen haben es die Mitglieder dieser Als Boxclub gegründeten Gang auf Posten als Türsteher und Sicherheitsdienst abgesehen. Neu sei, dass sich die Osmanen Germania BC unter die Demoteilnehmer der türkisch-nationalistisch geprägten Kundgebung vor zwei Wochen gemischt hätten.

In der Region Stuttgart zeigten zwei folgenschwere Auseinandersetzungen, dass die Rivalitäten zwischen den Gruppen Gewaltausbrüche in der Öffentlichkeit nach sich ziehen können: Im Dezember 2012 kam ein Mitglied der Black Jackets zu Tode. Er und seine Clique waren von Anhängern der Red Legion auf die Straße zitiert und in eine Schlägerei verwickelt worden, bei der ein 22-Jähriger durch einen Messerstich starb. Um die Black Jackets war es inzwischen eigentlich ruhig geworden, bis Anfang des Monats in Heidenheim, dem Ursprungsort dieser Gruppe, zwei Anhänger der United Tribuns erschossen wurden. 2009 geriet ebenfalls in Esslingen beim Überfall der Black Jackets auf eine verfeindete Bande ein Unbeteiligter zwischen die Fronten und wurde schwerst verletzt.