Die Pfarrkirche Zu unserer lieben Frau in Aichelberg hat mehr Überraschendes zu bieten, als für den Passanten auf den ersten Blick ersichtlich. Manches lässt sich schwer mit dem heutigen Verständnis von Kirche oder Denkmalschutz vereinen.

Mord, Krieg und eine wechselvolle architektonische Geschichte: Wer sich mit der sogenannten Feldkirche im Aichwalder Ortsteil Aichelberg befasst, erlebt die ein oder andere Überraschung.

 

Für wen ist die Kirche einen Ausflug wert?

Wer Interesse an der regionalen Kirchen- und Baugeschichte hat, kann sie an dem Aichelberger Bauwerk ablesen. Das Gemäuer mit seinen spätgotische Spitzbogen sowie modernen dreigeteilten Betonglasfenstern hat über die Jahrhunderte ganz offensichtlich viele bauliche Veränderungen durchgemacht. Waagrecht liegende Schießscharten im Westturm mit seinen 1,4 Meter dicken Wänden zeigen nach Einschätzung von Ortschronikern, dass das Gotteshaus einst auch Verteidigungsaufgaben zu erfüllen hatte. Im Innern finden sich ein schlichter moderner Holzaltar, Bildtafeln aus dem 18. Jahrhundert, aber auch freigelegte Secco-Wandmalereien aus dem späten 15. Jahrhundert. Schwach zu erkennen sind die Motive aus dem Alten Testament, wie beispielsweise die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies, aber auch Szenen der Leidensgeschichte Jesu. „Das war die Bibel der Armen. Die Menschen konnten damals ja nicht lesen“, erklärt Konrad G. Mohl. Er ist seit 2006 Pfarrer in Aichelberg und eigener Aussage nach fasziniert von der Kirche, in der das Zusammenspiel von Alt und Neu gut gelöst sei.

Wie kam es zum Namen Feldkirche?

Das heutige Gebäude ist, so schreibt Autor Christoph Seeger in der Aichwalder Ortschronik von 1999, wohl aus einer früheren Wallfahrtskapelle hervorgegangen. Mittlerweile markiert es die südliche Siedlungsgrenze von Aichelberg. Einst stand die Kirche fast allein auf weiter Flur, nur in Nachbarschaft des 1956 abgerissenen Armenhauses – noch früher die erste Schule des Ortes. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg rückte das Dorf immer näher. Die eingebürgerte Bezeichnung „Feldkirche“ blieb dennoch. Offiziell handelt es sich jedoch um die Pfarrkriche Unserer lieben Frau.

Auf welcher Legende beruht der Bau?

Das Sühnekreuz, das noch heute am Eingangstor zum Kirchhof steht, soll im 13. Jahrhundert gesetzt worden sein. „Der Legende nach war an dieser Stelle ein königlicher Bote von drei Räubern erschlagen worden“, erzählt Pfarrer Mohl. Als dann ein Rosenbusch über das Kreuz gewachsen war, sei dies als Zeichen für einen segensreichen Tod gewertet worden. „Daraufhin wurde die Kirche gebaut.“ Sie wurde der heiligen Mutter geweiht – weil die Rose als Symbol für Maria gilt. Das genaue Alter ist nicht bekannt. Erstmals urkundlich erwähnt wird sie 1460, 1482 zur Pfarrkirche erhoben. Nachdem sie zunächst von Stetten aus pastoriert wird, erhält die Gemeinde 1564 einen eigenen Pfarrer.

Was folgte darauf?

Es folgten viele Umbauten. Vor allem veränderte sich die Innenausstattung. Der Bilderfeindlichkeit zu Beginn der Reformation fielen wohl die Wandmalereien zum Opfer und wurden übertüncht. Weil der Predigt mehr Gewicht zukam und die Kirchgänger länger im Gotteshaus ausharren mussten, wurden im 16. oder 17. Jahrhundert Holzemporen und damit mehr Sitzplätze geschaffen. Diese wurden ebenso wie andere barocke Elemente – zusätzlich eingebaute Rundfenster, eine Kanzel samt Baldachin und die Orgel im schmuckvoll geschnitzten Holzkasten – bei einer umfassenden Restaurierung in den Jahren 1969/70 abgebaut und nicht erhalten. Mehrere Bildtafeln mit Szenen der Evangelisten, Apostel und der Passion Christi aus dem 18. Jahrhundert fielen dem Umbau ebenso zum Opfer. Einige wechselten ins Pfarrhaus, andere verschwanden in Privathaushalten. Stattdessen wurden die spätgotischen Secco-Malereien freigelegt. Diese radikalen Umgestaltungen gefielen nicht allen. So schilderte Adolf Schahl im „Kunstbrevier Neckarschwaben“ von 1966 die Eigenart der Schurwaldkirchen als „warme, stubenhafte Räume“ und beklagte, dass man auch in Aichelberg bald diesen Schurwaldcharakter nicht mehr erleben könne.

Wie sieht die Kirche heute aus, und wie kann man sie besichtigen?

2003 erfolgte die vorerst letzte Renovierung. Um mehr Platz zu erhalten, wurde eine neue Empore aufgebaut. Ein dunkler Klinkerboden wurde durch hellen Eichstätter Jura-Kalkstein ersetzt. Der Schweizer Künstler Karl Imfeld gestaltete in schlichter Art Altar, Ambo und Kreuz aus hellem Holz. Einige der Tafelbilder aus dem 18. Jahrhundert sind in die Kirche zurückgekehrt. Und auch der spätgotische Taufstein ist nach wie vor erhalten und mit einer Edelsteinschale versehen. „Die Renovierung wurde mit viel Augenmaß gemacht“, urteilt Pfarrer Mohl. Dank der variablen Bestuhlung sei das Gebäude universell nutzbar – ob für den Gottesdienst oder das Taizé-Gebet. Und das Schiff habe eine tolle Akustik – regelmäßig finden Konzerte in der Feldkirche statt. Wer sie besichtigen möchte, kann entweder einen Gottesdienst oder ein Konzert besuchen. Darüber hinaus ist das Gebäude immer sonntags von 14 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.

Was gibt es sonst noch in der Umgebung?

Einen Spaziergang von etwa zwei Kilometern durch den Wald entfernt liegt der Karlstein – Gedenkort für eine Schlichtung von Gemarkungsstreitigkeiten zwischen den Weinstädter Orten Strümpfelbach und Endersbach. Hier lässt sich gut Rast machen an einer Grillstelle – die zuletzt wegen der Trockenheit allerdings nicht genutzt werden konnte – sowie einem Kinderspielplatz. Etwa hundert Meter weiter bietet sich vom Hirschkopf ein toller Blick aufs Remstal. Wer Lust auf schwäbische Kost hat, wird im Gasthof Ochsen in Aichelberg fündig.

So geht es zur Kirche in Aichelberg

Serie
 Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Wir machen uns in und um Stuttgart auf die Suche nach Schlossgespenstern, erzählen spannende Geschichten aus vergangenen Tagen und liefern Wissenswertes zu mächtigen Mauern in luftigen Höhen. Unsere Sommerserie widmet sich diesen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten und bietet Anregungen für Ausflüge, die sich lohnen. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?

Anreise
 Mit dem Auto von Esslingen her kommend auf der Schorndorfer Straße (L 1150) Richtung Aichwald. Die weitere Route führt über die Ortsteile Aichschieß und Schanbach. In Schanbach am Kreisverkehr rechts abbiegen. In Aichelberg an der ersten Möglichkeit hinter der Kirche links abbiegen. Nach etwa 150 Metern befindet sich auf der linken Seite ein Parkplatz. Per Bus geht es mit der Linie 114 vom ZOB Esslingen zur Haltestelle Aichelberg Kronenstraße. Vom Busstopp sind es zu Fuß noch 250 Meter an der Schurwaldstraße zurück zur Feldkirche.