Radeln in der Heimat macht Freude, wandern auch. Aber mit dem Schiff auf dem Neckar die Region zu erkunden, das ist doch etwas ganz anderes. Der Wechsel der Perspektive ist auch eines: sehr gemütlich.

Remseck - Rund um die Anlegestelle der Schifffahrtsgesellschaft Neckar-Käpt’n in Stuttgart-Bad Cannstatt ist an diesem Vormittag mächtig viel los. Junge Familien, Rentner und verliebte Paare tummeln sich am Ufer gegenüber der Wilhelma und schauen aufs Wasser. Ein hölzernes Partyboot legt ab, ein kleiner Junge schaut staunend. „Schau mal Papa, das Schiff ist aus Holz, geht das unter?“ fragt er, und lässt sich von seinem Vater geduldig die Details erklären, weshalb das Gefährt eben nicht im Neckar versinkt, sondern seine Passagiere wohlbehalten und trockenen Fußes ans Ziel bringen wird.

 

Dann biegt das Schiff um die Ecke, das all die Wartenden an diesem Sommertag von Cannstatt über Remseck nach Marbach bringen soll. Der Kapitän Jürgen Raff steht an der Gangway und begrüßt die Fahrgäste, sein blütenweißes Hemd und seine weiße Hose strahlen in der Sonne wie in der Waschmittelwerbung, bevor er in die auf dem Oberdeck gelegene Kapitänskabine verschwindet. Letzte Vorbereitungen für die Tour stehen an. Innerhalb kurzer Zeit haben sich die Gäste auf dem Ober- und Unterdeck verteilt, die Schiffsglocke bimmelt laut und vernehmlich: Es geht endlich los!

Ganz neue Perspektiven

Pünktlich um 11 Uhr legt das Schiff ab. Mit einem lauten Brummen treibt der Motor das Schiff in Richtung Stuttgart-Münster und Mühlhausen. Leise Musik dringt aus den Lautsprecherboxen, unterbrochen von Durchsagen des Kapitäns, der die Gäste an Bord willkommen heißt und Details zur anstehenden Fahrt erklärt.

Es ist eine ganz andere Art des Reisens und Fortbewegens, und selbst ältere Einheimische, die an diesem Tag mit an Bord sind und ihrem Sommerferien-Besuch in Person eines Enkelkindes einmal eine Schiffstour bieten wollten, staunen nicht schlecht. „Das sieht ja toll aus, von dieser Perspektive aus habe ich das auch noch nie gesehen“, sagt ein älterer Herr und nippt an seinem Kaffee, während er auf die Weinberge blickt.

Der Kapitän erklärt den Kindern gerne die Technik

Gut vierzehn Kilometer legt das Schiff pro Stunde zurück. Die Maximalgeschwindigkeit liege bei Tempo 18, erklärt Jürgen Raff, während er sein Fernglas an die Augen hält. „Da vorne liegt ein kleines Schiff, daran müssen wir jetzt vorbei. Aber alles kein Problem“, sagt er und navigiert den Dampfer mit ruhiger Hand durch das Neckarwasser. Navigationsgeräte, mehrere Bildschirme, ein Telefon und ein Funkgerät finden sich in der Kabine des Kapitäns. Allzu viel Platz gibt es in dem etwas erhöhten und komplett verglasten Raum nicht gerade, doch über den Besuch vor allem von Kindern an seinem Arbeitsplatz freut sich Raff immer. „Ich erkläre gerne, was ich hier mache, wie das Schiff fährt, was hier alles passiert“, sagt er und blickt wieder durchs Fernglas. Erstaunlicherweise interessierten sich durchaus nicht nur die Jungs für die Technik an Bord, sondern auch die Mädchen. Nur die Schiffsglocke, die ist tabu für die Kinder. „Nein, die darf nur ich läuten, die ist viel zu laut, da bekommt ihr Ohrenschmerzen“, sagt Raff zu einem kleinen Mädchen und lacht, während er auf einen Bildschirm blickt.

Zwischen Remseck-Aldingen und Neckargröningen schließlich wird es für die Kinder an Bord richtig spannend: Das Schiff muss eine Schleuse passieren. Mit dem Wasserspiegel in der Schleuse sinkt auch das Schiff mit all seinen Passagieren gluckernd immer tiefer, die dunklen Wasserränder an den Betonmauern der Schleuse werden immer größer. Die acht Jahre alte Leonie hat ein wenig Angst, hält sich an ihrer Großmutter fest und fürchtet sich davor, dass das Schiff möglicherweise alsbald komplett im Wasser versinken könnte. Eine ältere Dame beruhigt sie und erklärt, weshalb es Schleusen gibt, und wie diese funktionieren. So ganz ist die Angst dennoch nicht weg, und ein kleines bisschen kann man das Mädchen auch verstehen: Ein wenig unheimlich ist es schon, plötzlich so tief unten zu sein und die Schleusenmauern ganz hoch oben zu sehen. Doch kurz darauf öffnet sich die Schleuse, und das Schiff fährt weiter auf dem Neckar-Trip.

Malerische Ausblicke und ein Eis an Bord

Rechterhand ist der Neckarstrand in Remseck zu sehen, gegenüber der Biergarten. Mag man nicht mehr weiterfahren, hat man hier die Möglichkeit, das Schiff nach etwa eineinhalb Stunden Fahrtzeit zu verlassen, und mit der Bahn zurück zu fahren. Bleibt man aber an Bord, kommt man gut drei Stunden später schließlich in Marbach an.

Auf dem Weg dorthin passiert man noch zwei weitere Schleusen und kann sich in der Zeit in aller Ruhe all das anschauen, was man auf dem Fahrrad am Fluss vielleicht gar nicht so wahrnimmt: Schnatternde Enten, dümpelnde Fischerboote, trainierende Kanuten, malerische Weinberge, die großartige Natur in den renaturierten Zugwiesen bei Hoheneck – und genießt dazu an Bord ein leckeres Eis.

Auf dem Neckar

Touren und Linien
Die Schiffe des Unternehmens Neckar-Käpt’n fahren während der Sommermonate auf verschiedenen Linien. Die im Text beschriebene Tour ist die „Linie Marbach“, sie verkehrt mittwochs um 11 Uhr ab Bad Cannstatt und legt um 14 Uhr in Marbach an. In umgekehrter Richtung startet das Schiff um 14.10 Uhr in Marbach und kommt um 17.10 Uhr in Cannstatt an. Es gibt Zwischenstopps etwa in Poppenweiler, Zugwiesen und Ludwigsburg-Hoheneck. Weitere Linien fahren auch an den berühmten Felsengärten vorbei bis nach Hessigheim oder Besigheim.

Fahrtpreise
Eine Fahrt beispielsweise von Poppenweiler nach Marbach kostet für einen Erwachsenen 14,60 Euro, Kinder bis zum siebten Schuljahr erhalten eine Ermäßigung in Höhe von zehn Prozent. Es gibt auch Familienkarten.

Informationen
Der komplette Fahrplan zu den Linien, aber auch zu Sonderfahrten, findet sich unter www.neckar-kaeptn.de.