Die Schillereiche am Bopserhang ist vor rund 170 Jahren im Gedenken an den Nationaldichter Friedrich Schiller gepflanzt worden. Auch wenn die Blick auf den Stuttgarter Kessel allmählich zu wächst, lohnt sich ein Ausflug.

S-Süd - Der Blick, dieser Ausblick gen Westen, gen Birkenkopf und zur untergehenden Sonne über dem abendlichen Stuttgarter Talkessel – er könnte so schön sein. Der Dichter Karl Gerok grüßt von den Höhen Degerlochs: „Da liegst du nun im Sonnenglanz ... mein Stuttgart wieder da.“ Aber die Natur macht alles kaputt. Wie so viele wunderbare Aussichtspunkte wächst auch der lauschige Platz der Schillereiche am nordwestlichen Bopser-Hang, leicht oberhalb der Neuen Weinsteige und eigentlich inmitten der Reblagen und pittoresken Trockenmauern, allmählich zu. Jedenfalls immer dann, wenn die Bäume Sträucher im Frühling grün ausschlagen mit ihrem Laub.

 

Irgendwo dort im Bopserwald, wohl eher etwas höher, soll der rebellische Jung-Dichter Schiller seinen Freunden, den jugendlichen Freiheitsschwärmern, den Gleichgesinnten gegen die Knute des absolutistischen Herrn und Herzogs Carl Eugen, vielleicht auch seinen Sauf-Kumpanen – denn Schiller war schon von Jugend auf bis zu seinem Tod ein schwerer Trinker – im Jahre 1781 aus der Handschrift seines stürmenden und drängenden Dramas „Die Räuber“ vorgelesen, nein: im Brustton aller seiner Leidenschaft vorgetragen haben.

Körperlich verfault von Schwind- und Trinksucht

Die vom Freund Andreas Streicher überlieferte nächtliche Flucht des quasi leibeigenen Karlsschulen-Zöglings, des Jura- und nachmaligen Medizin-Studenten Fritz Schiller nach Mannheim, der Triumph der Räuber-Uraufführung am dortigen Theater, der sofort einsetzende Kult um Schiller, sie folgten. Als der Klassiker und enge Goethe-Freund 1805 schon als Mittvierziger in Weimar gestorben war – manche sagen: körperlich förmlich verfault von Schwind- und Trunksucht, Tabak und schlaflos schaffigen Nächten –, da ließ die Verehrung keineswegs nach. Noch die Nazis vereinnahmten Schiller, auch Hölderlin übrigens, als Nationaldichter. Beider unsterblichem Ruf ist das danach womöglich nicht so recht bekommen.

Ein literarischer Kultplatz

1865 jedenfalls, zum 60. Todestag des Idols, pflanzten seine nachgeborenen Stuttgarter Fans auf der 408 Meter über dem Meer gelegenen Schiller-Höhe dem Dichter ihre Eiche, die schnell zum stattlichen Baum wuchs. Das studentische Hambacher Fest von 1832 für ein einig-europäisches Deutschland, die 1848er-Revolution und ihre freiheitlich-demokratischen Ideale, sie waren schon Zeitgeschichte. Fürst Bismarcks Reichseinigung von oben, durch „Blut und Eisen“ im deutsch-französischen Krieg 70/71, war nahe, aber noch nicht wirklich absehbar.

Der schöne Platz mit ebenem Rasen und Bänken ließ wohl einmal wirklich weit blicken, nicht nur im kahlen Winter. Immer noch gilt die Schillereiche – oberhalb des Weißenburg-Parks, zu Fuß recht leicht von der U-Bahn, über die Wernhaldenstraße auf weit geschwungenen Umwegen auch per Auto zu erreichen – auch als ein gewisser literarischer Kultplatz, gelegentlich ganz geheim.