Eine Pferdepension ist kein Ponyhof
Inzwischen ist viel dazugekommen, und die Pferde werden längst nicht mehr in Boxen gehalten, sondern laufen in der Bewegungshalle frei herum. Ein Reiche-Leute-Hobby sei ein Pferd nicht mehr, sagt Andrea Knauer. Aber um die 500 Euro im Monat koste es doch, sein Pferd wohnen, füttern und bewegen zu lassen. 50 bis 60 vierbeinige Pensionsgäste betreut Andrea Knauer mit ihrem Mann, einem Angestellten und einer Aushilfe.
Dass die Spaziergänger durch ihren Hof latschen, stört die 39-jährige Pferdewirtschaftsmeisterin ganz und gar nicht. Streicheln und Füttern sei allerdings höchst unerwünscht. „Ein Pferd kann auch mal beißen, und die Pferdebesitzer haben ihre eigenen Vorstellungen davon, was ihr Tier fressen soll.“ Auch braucht man nicht nach Reitkursen und sonstigen Angeboten zu fragen: „Das ist hier eben kein Ponyhof.“ Aber es gibt auch genug zum Gucken – die Tiere auf der Koppel und im Training oder der kleine von Pappeln gesäumte Weiher am Rande des Hofs, den Reiher, Milane und manchmal sogar Falken beehren. Bergan geht es weiter, und auf dem Weg zum Gipfele mit Panoramablick lässt sich noch rasch die Geschichte von Claire, der Dompteurin, erzählen.
Reiher, Milane und Falken
Sie war eine Vorbesitzerin des Rappenhofs, betrieb von 1907 bis 1910 Landwirtschaft und züchtete Pferde. Der breiten Öffentlichkeit war sie seinerzeit allerdings nicht ob dieses beruflichen Interims bekannt, sondern von den Sammelbildchen in den Zigarettenschachteln. Claire Heliot, mit bürgerlichem Namen Clara Pleßke, war um die Wende zum 20. Jahrhundert eine weltberühmte Tierbändigerin und Dompteurin gewesen. Ihr besonderes Talent hatte sie als Tierpflegerin im Leipziger Zoo entdeckt und kultiviert. In den 1890er Jahren trat sie im Stuttgarter Tiergarten Nill auf. Später tourte die ebenso tollkühne wie charmante Artistin durch Europa, Russland und die USA. Der Höhepunkt ihrer Show am Schluss war, dass sie einen 150 Kilo schweren Löwen auf ihren Schultern aus der Manege trug.
Biss bereitet jähes Ende
Ein Unfall beendete die ungewöhnliche Frauenkarriere: Während einer Vorstellung in Kopenhagen durchbiss ihr ein Löwe die Hüfte. Sie zog sich zurück und kaufte den Rappenhof, verkaufte ihn nach wenigen Jahren gewinnbringend wieder und zog in den Stuttgarter Süden. Zuletzt lebte sie im Altenheim Hasenberg. Claire Heliot starb 1953.
Oben am Rappenberg angelangt, lässt es sich gut auf einem der Bänkle verschnaufen. Es eröffnet sich ein weiter Blick hinunter ins Glemstal, das links und rechts Weinberge säumt, weiter nach Eltingen und Leonberg.
Von hier aus lässt sich noch eine schöne Runde durch den Wald drehen – nach Hinter-Ehrenberg, zum Studentenbäumle oder zum Forchenwald –, alles ist gut ausgeschildert. Oder man nimmt die größere Runde zur Waldsiedlung und anschließend hinab ins Krumbachtal, wo man sich im Naturfreundehaus Krumbachtal bei einer Einkehr schwäbisch-griechisch stärken kann.
Besucherinfo
Die Heidefläche am Rappenberg ist ein Naturdenkmal, ein natürlich entstandenes Landschaftselement also, das unter Naturschutz steht. Sie umfasst etwa drei Hektar und liegt auf Gemarkung Leonberg. Die Heide ist ein wegen seiner nährstoffarmen und sauren Böden wirtschaftlich nicht nutzbarer Landschaftstyp, im Grunde eine Art Wildnis, die von Sträuchern mit immergrünem, hartem Laub wie etwa dem Wacholder geprägt ist. Das namensgebende Heidekraut blüht von Spätsommer bis Herbst violett und war übrigens 2019 die Pflanze des Jahres. (textende)
Das Waldgasthaus Krumbachtal, Krummbachtalstraße 3, Gerlingen, bietet Biergarten und Spielplatz. Geöffnet ist es von Dienstag bis Donnerstag von 16 bis 22.30 Uhr, Freitag von 16 bis 23 Uhr, Samstag von 12 bis 23 Uhr, Sonntag von 12 bis 21 Uhr.
Anfahrt
Vom Hauptbahnhof fährt man mit der S 1/2/3, die von Montag bis Sonntag alle fünf Minuten verkehrt, bis zur Haltestelle Universität. Dort steigt man um auf die Buslinie 92, sie fährt von Montag bis Sonntag nur stündlich. An der Haltestelle Leonberg Schumisberg steigt man aus und nimmt den kurzen Fußweg zum Rappenhof.
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