Das Burgschloss Schorndorf signalisiert schon von weitem: Wer hier rein möchte, wird sich die Zähne ausbeißen. Als uneinnehmbare Festung präsentiert sich das Gebäude aber nicht mehr – allein der Innenhof mit seinem Fachwerk ist eine Wucht.
Wer etliche Hundert Jahre später wissen möchte, mit welch wuchtigen Wehrkräften die Menschen in früheren Zeiten ihre Angreifer zurückzuweisen gedachten, ist hier an der richtigen Stelle. Das Schorndorfer Burgschloss mit seinen unfassbar dicken Mauern und den vier mächtigen Rundtürmen wirkt selbst heute noch wahrlich wie eine Trutzburg, deren Architektur den aus der Ferne anrückenden Feinden signalisiert: An dieser Festung werdet ihr euch die Zähne ausbeißen.
Warum steht das Schloss gerade dort? Verantwortlich für die einstige Schorndorfer Widerstandskraft war Herzog Ulrich von Württemberg (1487 bis 1550), unrühmlich in der Historie verewigt durch die blutige Niederschlagung des 1514 im Remstal angezettelten Bauernaufstands Armer Konrad, als die Rädelsführer auf dem Wasen vor Schorndorf hingerichtet wurden. 24 Jahre später, 1538, begann der sechsjährige Bau. Der Herzog ließ an sieben wichtigen Orten in Württemberg Landesfestungen bauen, darunter eben Schorndorf. Dies war irgendwie fast unvermeidlich, denn: „Mit der Erfindung des Pulvergeschützes im ausgehenden 14. Jahrhundert verloren die herkömmlichen Stadtbefestigungen ihre Schutzwirkung“, heißt es im Buch „Kennzeichen WN – Heimatkunde für den Rems-Murr-Kreis“. Jetzt sollten „bastionierte Erdwallbefestigungen“ die Verteidigung sichern. Als eine der strategisch wichtigsten Städten sollte Schorndorf den Flankenschutz im Osten gewähren.
Warum ist die Festung so mächtig? Die Landesfestung Schorndorf galt damals als die stärkste Stadtbefestigung im ganzen Land. „Die mächtige Vierflügelanlage mit ihren dicken runden Ecktürmen war von wehrhaften Basteien umgeben, die nach den damals modernsten Gesichtspunkten der Kriegskunst angelegt wurden“, ist im Buch „Schlösser in der Region Stuttgart“ von Katharina Hild und Nikola Hild zu lesen. Für die Entstehung wurden bis zu 2000 Tagelöhner eingesetzt. „Die Tagelöhner wurden wie Soldaten mit Fahnen, Trommeln und Pfeifen zur Arbeit geführt“, heißt es in Martin Crusius’ „Schwäbischen Annalen“ von 1581, aus denen in „Kennzeichen WN“ zitiert wird. Wer gegen die Vorschriften verstieß, wurde mit dem Schwert bestraft. Die Arbeiter legten nicht nur das Burgschloss an, sondern umgaben darüber hinaus die mittelalterliche Stadt, deren Stadtmauer bestehen blieb, mit einem zehn Meter hohen Wall und Mauern mit hohen Basteien, runden Türmen und drei Haupttoren sowie mit einem 30 Meter breiten Wassergraben mit vier Schleusen, erläutern Eva Walter und Thomas Pfündel unter der Kapitelüberschrift „Wuchtig und unzerstörbar“ in ihrem Werk „Schorndorf“.
Warum hat bis heute mancher Furcht? Furchteinflößend war das Schloss früher – und dass wir dem im Besitz des Landes Baden-Württemberg befindlichen Gebäude auch heute noch mit erheblichem Respekt begegnen, hat womöglich damit zu tun, dass dort das Amtsgericht Schorndorf seinen Sitz hat. Dass das Gebäude auf Zeugen oder Angeklagte einschüchternd wirkt, glaubt Doris Greiner allerdings nicht. Sie ist seit 2013 Direktorin des Amtsgerichts und beteuert: „Es ist ein Schmuckstück von außen“, und auch der fachwerkgeschmückte Innenhof, durch den man den Eingang des Gerichts erreicht, könne sich sehen lassen. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, sagt Greiner, „das Gebäude steht unter Denkmalschutz“, aber innen habe es wenig Altertümliches, sondern sei von einer zweckmäßigen Anmutung. Die dicken Mauern haben allerdings Vor- und Nachteile. Gerade im Sommer braucht es einige Zeit, bis die Wärme eindringt – ebenso lange dauert es allerdings auch, bis sie nach Hochsommerphasen wieder rausgeht, „das staut sich derzeit ganz schön auf“, erzählt die Direktorin. 2018 wurden zudem fünf Notariate „einverleibt“, sagt Greiner schelmisch.
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Kommen Ganoven in den Arrest? Tatsächlich hat das Gericht „zwei Zellen für den Zwischenaufenthalt, wenn Gefangene in einem Strafverfahren aus der Untersuchungshaft in Stammheim hier zu uns kommen“, sagt Greiner. Diese Zellen sind „auf dem neuesten Stand“, wie auch Schülerklassen erkennen, die sich bei Amtsgerichtsbesuchen spaßeshalber einsperren lassen dürfen. Wobei, ergänzt Greiner, „zwei altertümliche Arrestzellen von Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es im Gebäude doch noch, aber die sind nicht mehr in Benutzung“.
Womit wird das Schloss heute bespaßt? Ansonsten ist das Burgschloss mit seinem schnuckeligen, fachwerkumsäumten Innenhof beliebt als Schauplatz für Theateraufführungen oder Konzerte bei der Schorndorfer Woche. Auf der Freifläche zwischen Burgschloss und Jagdschloss gab es in früheren Jahren das Schorndorfer Open-Air-Kino. Und während der Remstal-Gartenschau 2019 war das Burgschloss ein zentraler Ort: Auf den Wiesen rundherum gab es riesige Lampions in den Bäumen, einen Rosengarten und 100 vom Künstler Ottmar Hörl gestaltete Gottlieb-Figuren (nach dem „Schorndorfer Sohn“ Gottlieb Daimler). Und auch der sonst abgeriegelte „Suttrai“ (Schwäbisch für Souterrain) wurde genutzt – der Schlosskeller, in den es für die Besuchermassen nur über eine eigens konstruierte Treppe hinab ging, wurde unter Regie des Fellbacher Floristen Thilo Schick zur prächtigen Blumenhalle unter Tage ausgestaltet. Offenkundig ganz schön vielfältig nutzbar, so eine Trutzburg.
Hintergründe
Serie
Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Wir machen uns in und um Stuttgart auf die Suche, erzählen spannende Geschichten aus vergangenen Tagen und liefern Wissenswertes zu mächtigen Mauern in luftigen Höhen. Unsere Sommerserie widmet sich diesen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten und bietet Anregungen für Ausflüge, die sich lohnen. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?
Drumherum
Im Norden des Burgschlosses befindet sich seit 1555 das von Herzog Christoph, dem Sohn von Ulrich, initiierte ehemalige Jagdschloss. Ansonsten sind im weiträumigen Park zahlreiche Skulpturen zu finden, an der Südostecke liegt ein großer Spielplatz.
Einkehr
In der nahe gelegenen Altstadt von Schorndorf gibt es zahlreiche Restaurants von gutbürgerlich bis hochkarätig.
Anfahrt
Vom Bahnhof Schorndorf (Halt Regionalbahn und S-Bahn) sind es zu Fuß über den wunderbaren Marktplatz maximal zehn Minuten bis zum Burgschloss. Ein Parkplatz befindet sich zudem an der Friedensstraße auf der Ostseite des Schlosses.